Mit der Fußball-Utopie "Fußballprofis: Die sportlichen Beamten der Postmoderne" bewirbt sich Tom Hesselberger um den mit bis zu 5.000 Euro dotierten easyCredit-Fanpreis 2020. Bewerbungen waren bis zum 31. August 2020 möglich. Alle Informationen zur Teilnahme am Wettbewerb "Fußball-Utopie des Jahres"
Fußballprofis: Die sportlichen Beamten der Postmoderne (von Tom Hesselberger)
Corona, Corona, Corona. Zwar trennt uns vor dem Jahreswechsel noch ein ganzes Drittel dieses komischen "Films", in dem irgendwie die komplette Erdbevölkerung Schauspieler ist, während Gott, Gestirne oder was auch immer Regie führen, doch die obligatorischen Jahresrückblicke, in denen jedes Jahr gefühlt dieselben Gäste auf einem übergroßen beigen Sofa platznehmen (dieses Jahr höchstwahrscheinlich mit Abstandsregel), werden wohl schon jetzt abgedreht. Denn eines ist klar: Da kommt nicht mehr viel! Wieso denn auch?! 2020 verhält sich so wie die verrückte alternative Tante, die im Übrigen irgendwie jeder in seiner Verwandtschaft hat, auf der eigenen Geburtstagsfeier. Komplett nüchtern stand das Jahr pünktlich wie jedes Jahr am 31.12.2019 auf der Fußmatte, klingelte und betrat um 0 Uhr den Raum. Am Anfang erscheint noch alles ungefährlich, nach einem scheinbar harmlosen Aperitif muss 2020 dann jedoch in alter Obelix-Manier in die Bowle-Schüssel gefallen sein. Ab diesem Zeitpunkt führt es sich nur noch auf und alle hoffen, dass es so bald wie nur möglich die Feier verlässt, bevor es noch irgendwas kaputt macht…
In der Realität hat das Jahr, um mal im Bild zu bleiben, schon einige Weingläser zerbrochen, Bierflaschen umgeschüttet und Vasen in tausend Einzelteile zerspringen lassen: Die Lage war von Beginn der Krise an schwierig, sie ist aktuell äußerst kritisch und was in absehbarer Zukunft die Folgen der Pandemie sein werden, kann und will wahrscheinlich niemand wissen. Die Verunsicherung bei vielen ist jedoch spürbar. Die Angst vor Infektion ist dabei ebenso präsent wie die Angst vor dem ökonomischen Kollaps. Die deutsche Wirtschaft befindet sich seit ungefähr März diesen Jahres auf dem Prüfstand: Wie lange kann sie auf Sparflamme gestellt werden, bevor sie womöglich komplett erlischt? Ein Blick in den freien deutschen Markt zeigt jedem schnell und dezidiert: In jeder Krise gibt es Gewinner und Verlierer. Es soll ja fleißige Leser geben, die sich wichtige Passagen in Büchern markieren oder einzelne Phrasen herausschreiben. Wenn du dich angesprochen fühlst, würde ich genau jetzt den Rotstift hinter dem rechten – bei Linkshändern natürlich dem linken – Ohr zücken und diese Aussage schon einmal farblich hervorheben. Denn eines ist sicher: Wenn der Mensch weiterhin ohne jeglichen Skrupel in Tier- und Pflanzenreich vordringt, ist der nächste Virus nicht mehr weit. Dann wird die "Corona-Pandemie ganz schnell" in "erste Pandemie" umgetauft. Klingt komisch, wa?! Frag mal bei den Überlebenden, die als Soldaten von 1914 bis 1918 dienten nach! Die hätten bei der Bezeichnung erster Weltkrieg auch etwas verdutzt dreingeschaut.
Zurück zum Thema: Es gibt offensichtlich einen Teil, der die Pandemie zu seinen Gunsten zu nutzen weiß und dementsprechend Profit daraus schlagen kann. Der Online-Handel, der davor schon ziemlich en vogue bei "Wohnzimmer-Shoppern" war, ging beispielsweise während der Krise – eine Zeit natürlich auch ob des Lockdowns – durch die Wohnzimmerdecke. Der riesige Teil der Wirtschaft, angefangen bei kleinen Familienunternehmen bis hin zu wirtschaftlich einflussreichen Großunternehmen, leidet natürlich unter Corona. Man könnte an dieser Stelle mit Sicherheit ein neues Kapitel beginnen, in dem man stellvertretend verschiedenste Berufe unter die Lupe nimmt, deren Lage beleuchtet, eine Prognose abgibt wie es um jene in der Zukunft bestellt ist oder einfach nur Ratschläge an den Leser gibt wie denn der einzelne Bürger bestimmte Berufszweige unterstützen kann. Das wäre sicherlich sowohl informativ als auch interessant, nimmt jedoch für die vorliegende Skizze leider zu viel Platz ein.
Daher soll der Blick in dieser Utopie auf die gesellschaftlich betroffenste Personengruppe der Postmoderne gerichtet werden: den Fußballer. Der kürzlich erst emeritierte Fußballprofi Sandro Wagner konstatierte bereits im Frühjahr 2016, dass Fußballer seines Erachtens nach viel zu wenig verdienen. In jungen Jahren müsste man seine komplette Jugend herschenken: kein wirklicher Freundeskreis und auch keine feste Freundin, nicht viel Zeit für andere Hobbys und erst recht keine Feiern in irgendwelchen Bars. Man bekommt dabei das dumpfe Gefühl nicht los, dass gerade Letzteres für "Klein-Sandro" in seiner Jugend besonders schwer gewesen sein muss, wenn man auf Social-Media, Interviews und anderen Beiträgen mit dem ganzen Geprotze des gebürtigen Münchner konfrontiert wird. Ich bin mir jedoch sicher, dass er diese Zeit sicherlich ausführlicher als unbedingt nötig im angesagten Münchner Club "P1" und anderen High-Society-Schuppen nachholt – nach Corona versteht sich.
Wir alle konsumieren doch früher oder später Fußball: Manch´ zukünftiger Familienvater bereitet sich an jedem Samstag um 15.30 bereits im Mutterleib innerlich auf die Spiele seiner Lieblingsmannschaft vor. Aber auch viele Damen, die – und das ist jetzt nicht diffamierend gemeint, aber ich habe noch nie einen Mann jene Frage stellen gehört – vor gefühlt jedem Spiel fragen, welche Trikotfarbe denn nun welche Mannschaft trägt und auf welches der beiden Tore denn jetzt die Lieblingsmannschaft spielt, sitzen zu den Großturnieren bereit. Spätestens zur EM, WM oder dieser komischen Nations-Leauge (Wer hat die eigentlich ausgegraben?) finden wir uns doch alle gemeinsam mit verschmierter schwarz-rot-gold-Farbe im Gesicht auf den besagten Fanmeilen wider und schreien uns für unsere Nationalelf die Seele aus dem Leib (PS: Wir spielen meistens in weiß).
Nun ist es so, dass gerade die Kultur sehr unter der Pandemie leidet. Um die in Deutschland größte und wichtigste Kultur, die Fußballkultur, zu schützen, benötigt es in einer Utopie von der Politik Maßnahmen, welche diesen Berufszweig besser schützt. Die einzelnen Arbeitnehmer kämpfen sich schließlich mit stark befristeten Verträgen von maximal einem bis drei Jahren durchs Fußballerleben, bevor ihnen dann mit Mitte bis Ende 30 fristlos gekündigt wird. Ohne Arbeit, ohne Perspektive stehen die Sportler dann von heute auf morgen auf der Straße. Meist ohne Ausbildung, ohne Studium und ohne Perspektive. So kann es schlichtweg nicht weitergehen. Der Ausbeutung der Fußballer muss in Zukunft von politischer Seite präventiv entgegengewirkt werden: Mit einem Beamtensystem.
Schluss mit freier Marktwirtschaft, Schluss mit ökonomischer Schere, Schluss mit Kapitalismus: In der Zukunft sind Fußballer Repräsentanten des Staates! Diese versuchen sich ja jetzt bereits mit glatt gebügelten Phrasen, durch das Labyrinth der "political correctness" zu schlängeln. Da ist eine vom Staat durchfinanzierte Liga doch wohl denkbar. Früher bestach Deutschland durch Intellektuelle und Literaten: Deutschland – Land der Dichter und Denker. Schon bald werden wir jedoch zum Träger einer revolutionären Fußballkultur: Deutschland – Land des modernen Fußballs.