Mit der Fußball-Utopie "Den Fußball, denen die ihn lieben – Eine Fußballutopie" bewirbt sich der Verein Gesellschaftsspiele Berlin e.V. zusammen mit der Fußballspielerin Greta Budde und der ehemaligen Nationalspielerin Petra Landers um den mit bis zu 5.000 Euro dotierten easyCredit-Fanpreis 2020. Bewerbungen waren bis zum 31. August 2020 möglich. Alle Informationen zur Teilnahme am Wettbewerb "Fußball-Utopie des Jahres"
Den Fußball, denen die ihn lieben – Eine Fußballutopie (vom Verein Gesellschaftsspiele e.V., Greta Budde und Petra Landers)
Die Strukturen des Fußballs sind überholt: Sie dienen denen, die mit dem Fußball Profite erwirtschaften wollen und den Fußball als Produkt verstehen. Unsere Utopie setzt deshalb an der Struktur an und entwirft eine neue Form der Organisation des Fußballs, die denen gewidmet ist, die den Fußball ohne Profitinteresse spielen, ihn lieben und leben. Der wunderbare Sport selbst soll dabei bleiben, wie er ist, denn er erfüllt wie kaum ein anderer Sport unzählige Menschen auf der Welt jeden Tag mit unendlicher Freude – egal ob im ausverkauften Stadion, auf dem Schulhof oder auf dem Bolzplatz.
Gründung eines Alternativen Fußballbundes
Das zentrale Element unserer Fußballutopie ist die Gründung eines alternativen Fußballverbands sowie alternativer Fußballclubs. Dabei ist nicht der Akt der Neugründung ausschlaggebend, sondern die Organisationform und die Definition der Ziele und Werte, die mit der Neugründung einhergehen. Der alternative Fußballbund soll eine Dachorganisation für Fußballclubs sein, die sich als Genossenschaften organisieren und einen partizipativen, nachhaltigen, gerechten, inklusiven, gesellschaftlich engagierten und wettbewerbsfähigen Sport betreiben. Der Dachverband versteht sich somit als Genossenschaftsverband, der die Interessen seiner Mitglieder, der genossenschaftlich organisierten Fußballclubs, vertritt und für diese eine Struktur für sportlichen Wettbewerb zur Verfügung stellt.
Genossenschaften für den Fußball
Fußball ist ein Mannschaftssport, ohne Mitspieler*innen können auch die besten Spieler*innen der Welt kein Spiel oder gar eine Meisterschaft gewinnen. Die Organisationsstrukturen des Fußballs sollten diesem gemeinschaftlichen und teamorientieren Prinzip ebenfalls folgen: Nur im Kollektiv können Erfolge errungen werden. Genossenschaften bieten dabei für Fußballclubs entscheidende Vorteile. Die Mitglieder der Fußballgenossenschaft tragen gemeinsam Verantwortung und sind gemeinsam Eigentümer ihres Clubs. Kein Investor oder keine Einzelperson kann die Geschicke an sich reißen, die Entscheidungen werden im Team getroffen: Sie basieren auf dem Prinzip "Pro Kopf eine Stimme". Die Fußballgenossenschaft verfolgt dabei die gemeinsam definierten Ziele der Gemeinschaft, ist autonom in seinen Entscheidungen und selbstverwaltet. Mitglied in einer Fußballgenossenschaft kann jede Person werden, die sich mit den Werten und Zielen der Gemeinschaft identifiziert. Eine Mitgliedschaft soll über einen kleinen symbolischen Geldbetrag ermöglicht werden, niemand soll aufgrund seiner finanziellen Möglichkeiten ausgeschlossen werden. Wer mehr Anteile an einer Fußballgenossenschaft kaufen möchte, kann dies tun, erhöht dadurch aber nicht die Entscheidungsbefugnisse oder Stimmanteile.
Gemeinsame Werte und Ziele der Fußballgenossenschaften
Die gemeinsamen Werte und Ziele werden durch den alternativen Fußballbund und seine Mitglieder (den Fußballgenossenschaften) definiert und regional spezifisch adaptiert und umgesetzt. Selbstverständlich basieren diese Werte und Ziele auf freiheitlichen und demokratischen Grundprinzipien. Der wichtigste Sinn der Fußballgenossenschaft ist es, seinen Mitgliedern den Zugang zu Fußball und Fußballkultur zu ermöglichen sowie weitere Kinder, Jugendliche und Erwachsene für den Fußball in all seinen Facetten zu begeistern. Die Stärkung des Amateur- und Breitensports hat dabei einen besonders hohen Stellenwert und muss geschlechtergerecht gefördert werden. Darüber hinaus verpflichten sich die Fußballgenossenschaften, für ihre Mitglieder eine moderne Infrastruktur zu entwickeln, Freiräume und Kapazitäten für gesellschaftliches Engagement zu fördern und die Gesundheit und gesunde Ernährung der Mitglieder zu fördern. Neben dem Kern des aktiven Spiels selbst, kommt in diesem Kontext auch der allgemeine Bildungsauftrag als gesellschaftlicher Akteur zum Tragen. Auch die Talentförderung und der Leistungssport sind festgeschriebene Ziele der Fußballgenossenschaft. Letztere sind jedoch als gleichberechtigte Abteilungen innerhalb der Genossenschaft zu verstehen und sind nicht zulasten der anderen Abteilungen zu bevorzugen.
Fußball ist mehr als nur das Spiel von 11 gegen 11
Fußballgenossenschaften sollen Freiräume und Kapazitäten für gesellschaftliches Engagement schaffen und fördern. Der Fußball kann eine große Arena für gesellschaftliche Arbeit und gegen Diskriminierung sein, benachteiligte Gruppen sollen durch den Sport gefördert, integriert und ermächtigt werden, und Erwachsene ihre Kreativität in der Fankultur ausleben. All dies können wir schon heute im Fußball wahrnehmen, doch soll das gesellschaftliche Engagement einen zentralen und gleichberechtigten Aspekt der Fußballgenossenschaften ausmachen und somit an Bedeutung im Fußball gewinnen. Jede Genossenschaft könnte sich dabei auf eines oder mehrere Ziele für nachhaltige Entwicklung konzentrieren, wie sie etwa von den Vereinten Nationen entworfen wurden.
Leistungssport in gleichberechtigten Ligen: Männer, Frauen und Mixed
Der Leistungssport soll weiterhin einer der Kernbereiche der Fußballgenossenschaften bleiben, eine Ausgliederung oder eine Überhöhung des Leistungssports gegenüber anderen Abteilungen ist in den von uns entworfenen Fußballgenossenschaften strukturell nicht möglich. Vielmehr ist in den Grundlagen der Genossenschaften festgeschrieben, dass der Leistungssport geschlechtergerecht und gleichberechtigt gefördert werden muss. Alle Fußballgenossenschaften müssen Männer- und Frauenfußball gleichermaßen fördern. Um dies nachhaltig sicherzustellen, dürfen die Etats der Profiteams innerhalb einer Genossenschaft bei gleicher Ligazugehörigkeit nicht um mehr als 10 Prozent differieren. Außerdem sollen Starspieler*innen maximal den zehnfachen Wert dessen verdienen, was der Angestellte mit dem niedrigsten Einkommen innerhalb der Fußballgenossenschaft verdient. Zuzüglich soll es ähnlich wie in anderen Sportarten einen Mixed-Wettbewerb geben, bei denen der Kader und die Startaufstellung zwischen den Geschlechtern hälftig aufgeteilt werden müssen. Dadurch erhoffen wir uns einen spannenden neuen Wettbewerb im nationalen Leistungssport, die Vernetzung der bisher weitgehend entkoppelten Fankulturen des Frauen- und Männerfußballs, die Steigerung der Bekanntheit aller Spieler*innen und letztendlich auch sportliche Innovationen für den Fußball selbst.
Echte Mitbestimmung
Eine Fußballgenossenschaft soll ein Ort der echten Mitbestimmung und Beteiligung sein. Anders als die Mitgliederversammlungen heutiger Bundesligavereine sollen die Versammlungen der Fußballgenossenschaften nicht bloß Entscheidungen abnicken, sondern den Mitgliedern eine echte Beteiligung an Entscheidungen ermöglichen. Die direkte Mitgestaltung erfolgt in Arbeitsgruppen, in denen die Abstimmungen für die halbjährlich stattfindenden Mitgliederversammlungen vorbereitet werden. Von zentraler Bedeutung ist die paritätische Besetzung der Arbeitsgruppen, und zwar in zweierlei Hinsicht: es werden sowohl Männer, Frauen und Kinder/Jugendliche paritätisch für die Arbeitsgruppen berücksichtigt als auch Spieler*innen, Angestellte der Genossenschaft und Fans. Die Mitarbeit in den Arbeitsgruppen der Genossenschaften wird mit fairen Aufwandsentschädigungen vergütet.
Fairer Wettbewerb durch faires Wirtschaften
Der Leistungssport wird natürlich auch in unserer Fußballutopie im öffentlichen Bewusstsein die wichtigste Rolle einnehmen. Vom Fußball – wie von anderen Sportarten – geht eine besondere Energie aus, weil er einen spannenden Wettbewerb verspricht, der die Massen begeistert. Der alternative Fußballbund soll sich selbst Strukturen geben, die den fairen Wettbewerb dauerhaft garantieren. Das heißt, es sind Strukturen zu verhindern, die zu den immer gleichen sportlichen Ergebnissen (z.B. Serienmeistern) führen. Erfolgreiche und gute Arbeit an den einzelnen Standorten muss sich auch an den Ergebnissen im Leistungssport erkennen lassen. Nicht das Festgeldkonto oder der Einfluss von Sponsoren darf über den letztendlichen Erfolg entscheiden. Dafür schlagen wir zwei zentrale Finanzmechanismen vor, die den alternativen Fußballbund und den Wettbewerb stärken sollen: ein umfassendes Solidarsystem und einen Gesellschaftsindex.
Ein Solidarsystem für den Fußball
Der alternative Fußballbund soll in vielen Bereichen eine zentrale Vermarktung des Fußballs anstreben, etwa für den Verkauf von Fernsehrechten, das Sponsoring, das Ticketing oder die Lizenzrechte. Entscheidend ist dabei, dass die erzielten Einnahmen in angemessenem Umfang gegenläufig zur sportlichen Platzierung vergeben werden. Das heißt z.B., dass der jeweilige Meister weniger Geld bekommt als die Absteiger. Darüber hinaus werden zusätzliche Einnahmen der Fußballgenossenschaften mit Abgaben belegt, die an strukturschwache Vereine des unteren Profibereichs verteilt werden und des Amateur- und Breitensports geleistet werden müssen. So erhoffen wir uns langfristig einen ausgeglichenen Wettbewerb.
Ein Gesellschaftsindex für den Fußball
Damit das gesellschaftliche Engagement der Fußballgenossenschaften und die Förderung des Kinder-, Amateur- und Breitensports auch finanziell abgesichert sind, schlagen wir neben seiner Festschreibung in den Zielen der Fußballgenossenschaft einen Gesellschaftsindex vor, anhand dessen die Verteilung zusätzlicher Gelder ausgerichtet ist. Vereine sollen demnach für ihr Engagement in der Region, im Kampf gegen Diskriminierung im Fußball oder für die Förderung des Breitensports finanzielle Anreize bekommen. Fußballgenossenschaften, die im Rahmen ihrer Verhältnisse nachhaltig und viel für den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft tun, sollen demnach auch mehr Gelder und bessere Bedingungen für den Leistungssport erhalten.
Für einen Fußball von dem ALLE profitieren
Zusammengefasst lässt ein genossenschaftlich organisierter Verband hoffen auf einen Fußball, der seiner Strahlkraft und gesellschaftlichen Bedeutung auf allen Ebenen gerecht wird. Von diesem Ansatz profitieren nicht nur Einzelne, sondern gleichberechtigt alle Akteure, die dem Fußball verbunden sind und ihn leben sowie lieben.