Geschichte

"Die Karlsruher Kickers"

Mit der "Kontinentalmeisterschaft" hatte Walther Bensemann schon 1894 ambitionierte Pläne. Spielort war Karlsruhe - welche Teams am Ende dabei waren, berichtet Bernd-M. Beyer im zweiten Teil seiner Reihe über die ersten internationalen Spiele mit deutscher Beteiligung.

Die Karlsruher Kickers im Jahr 1894. In der Mitte mit Ball Walther Bensemann, ganz links sein Jugendfreund Ivo Schricker, der später FIFA-Generalsekretär wurde.
Spielbogen zur Begegnung Straßburger FC gegen „Züricher Grasshoppers“ am 26. November 1893. Ivo Schricker ist als Kapitän und Mittelläufer aufgeführt, Bensemann als Mittelstürmer.

Das erste internationale Spiel im Oktober 1893 in Karlsruhe (siehe Teil 1) bildete den Auftakt zu einer ganzen Reihe grenzüberschreitender Begegnungen, die Bensemann in den Jahren bis zu Jahrhundertwende in Süddeutschland organisierte. Bereits am 26. November kam mit den Grasshoppers Zürich ein führender Schweizer Klub ins damals deutsche Straßburg. Dort hatte Bensemann, wie in vielen anderen süddeutschen Städten auch, zuvor einen Fußballverein gegründet, den FC Straßburg.

Einer der Jugendlichen, die er in Straßburg für den neuen Sport begeistern konnte und der auch beim Spiel gegen die Grasshoppers dabei war, hieß Ivo Schricker. Mit ihm verband Bensemann eine lebenslange enge Freundschaft. Schricker, einer der besten Mittelläufer seiner Zeit, stieg später zum FIFA-Generalsekretär auf und tat sich nach 1933 damit hervor, dass er sich in dieser Funktion den Vereinnahmungsversuchen durch die Nazis beharrlich widersetzte.

Hauptträger der internationalen Spiele wurde eine weitere Bensemann’sche Gründung, die "Karlsruher Kickers". Sie verstanden sich als eine Art süddeutsche Auswahl und genossen ob ihrer Spielstärke bald einen legendären Ruf. Neue Klubs, wie die noch heute existierenden Stuttgarter Kickers, bezogen sich bei ihrer Gründung ausdrücklich auf die Karlsruher Idole. Und das, obwohl der englisch klingende Name "Kickers" durchaus umstritten war. Noch 1901 empfahl der "Zentralausschuss zur Förderung der Volks- und Jugendspiele in Deutschland", jedem "Bürschchen, wenn es von 'Goal' und von 'Kicken' spricht, handgreiflich darzuthun, wie wenig sich das für einen deutschen Jungen passt". Und: "Den stärksten Missklang hat aber ein süddeutscher Verein zu erzielen verstanden, der sich 'Die Kickers' nennen zu lassen für eine Ehre zu halten scheint."

Die "Kontinentalmeisterschaft" schrumpft zur Stadtmeisterschaft

Mit den "Kickers" jedenfalls hatte Bensemann Großes vor, als er im Frühjahr 1894 ein Turnier um die "Kontinentalmeisterschaft" ankündigte. Das allerdings war ein Projekt, das seine Möglichkeiten deutlich überstieg und seiner Zeit zu weit vorauseilte. Zwar meldeten sich zunächst einige starke Schweizer Teams an, doch am Ende kamen sie nicht, und nach weiteren Absagen kämpften nur noch zwei Klubs um die famose "Kontinentalmeisterschaft": die Karlsruher Kickers und der (ebenfalls von Bensemann gegründete) Karlsruher FV. Laut Bensemann lockte das abgespeckte Turnier an den Ostertagen 1894 dennoch rund 1300 Zuschauer an, von denen 300 Eintritt zahlten, "während über 1000 Personen draussen standen und sich bemühten die (als Sichtschutz angebrachten, d.V.) Tücher herunterzureissen". Nach drei Begegnungen behielten die Kickers die Nase vorn und nannten sich fortan ebenso stolz wie großspurig "Meistermannschaft des Kontinents".

Insgesamt waren es vermutlich 18 internationale Spiele, die Bensemann bis zur Jahrhundertwende arrangierte. Am 31. März 1895 fuhren die Kickers erstmals selbst in die Schweiz, wo sie in Basel erst die Old Boys (10:0) und gleich darauf (mit nur noch neun Spielern) den Baseler FC (2:1) besiegten. Bensemann selbst stand bei solchen Spielen meist als Mittelstürmer auf dem Platz, während sein Freund Schricker im Mittelfeld die Fäden zog.

Spiele gegen Schweizer Teams hatten seinerzeit einen anderen sportlichen Stellenwert als heute, denn die Schweiz stellte wegen ihrer zahlreichen, von jungen Engländern besuchten Internate vermutlich einige der stärksten kontinentalen Teams. Dennoch konnte Bensemann nicht damit zufrieden sein, dass sich die internationalen Begegnungen in den ersten Jahren auf die Schweiz beschränkten. Seine Pläne gingen weiter: Er wollte vor allem Spiele gegen das (von deutschnationalen Kräften als "Erzfeind" angesehene) Frankreich und gegen das übermächtige Fußball-Mutterland England. Doch bis es dazu kommen konnte, hatte er noch einige Überzeugungsarbeit zu leisten.

von Bernd-M. Beyer

Im dritten Teil geht es um die ersten komplizierten Versuche, Fußballspiele gegen den damaligen "Erzfeind" der Deutschen zu organisieren - und wie es Walther Bensemann letztendlich gelang.

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