
Rezension Lenin auf Schalke
Rainer MoritzGregor Sander, 1968 in Schwerin geboren, hat ein Fußballbuch geschrieben, das auf den ersten Blick wenig mit Fußball zu tun hat. Angeregt von einem Freund, macht sich der im Osten Deutschlands sozialisierte Sander auf, um den alten Westen, genauer: das Ruhrgebiet, noch genauer: das schon von Georg Kreisler geschmähte Gelsenkirchen, in subjektiver Feldforschung zu erkunden. Satt haben es er und seine Freunde, dass sich westdeutsche Journalisten seit Jahren aufmachen, um die "rätselhaften" Bewohner von Hoyerswerda & Co. zu erkunden und die Defizite ihres Bewusstseins aufzudecken. Sander dreht den Spieß um und beschreibt eine niedergegangene Region Westdeutschland, in der alle Lichter auszugehen scheinen – oder längst ausgegangen sind. Und wer über Gelsenkirchen schreibt, kommt – wir sind in der Abstiegssaison 2020/21 – an Schalke 04 natürlich nicht vorbei. In seinen sehr originellen und oft komischen Beobachtungen zeigt Sander, was die Schalker Seele ausmacht und warum "ihr" Verein den Menschen eine Identifikation erlaubt, wie sie anderswo kaum noch zu haben ist. Ein wunderbares, klug um die Ecke gedachtes Fußballbuch.
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