Turbo
Mein Wettlauf mit dem Fußballgeschäft (2020/2021)
Rezension: Turbo. Mein Wettlauf mit dem Fußballgeschäft
Frank WillmannDie Geschichte von „Turbo“ Andreas Buck ist eine besondere Geschichte. Denn seine Biografie erzählt auf persönliche Weise und hautnah davon, wie der Fußball seine Seele verkauft hat und zu einem rücksichtlosen, teils kriminellen Business wurde.
Andreas Buck kennt noch andere Zeiten. Er ist der einzige Spieler, der zweimal Meister wurde, ohne je beim FC Bayern gewesen zu sein. Ihm gelang das Kunststück, mit dem Bundesligaaufsteiger 1. FC Kaiserslautern unter Coach Rehhagel Deutscher Meister zu werden. Davor gewann er die Meisterschaft bereits mit dem VFB Stuttgart. Andreas Buck steht beim ersten Spiel der neuen Champions League auf dem Rasen, dem Symbol für die Turbokommerzialisierung. Buck erlebt die Auswirkungen des Bosman Urteils und den Aufstieg der Spielerberater. Kaum einer kann die Wandlung des Fußballs, den Ausverkauf besser von innen bezeugen.
Buck hatte Glück. Er traf vor ein paar Jahren auf den Schriftsteller, Journalisten und Grimme-Preisträger Johannes Ehrmann. Er erzählt Bucks Geschichte mit Herzlichkeit und doch der analytischen Distanz für die Details, die mehr erzählen als die Einzelgeschichte, die fürs Ganze sprechen.
Alles begann in Stuttgart, als Paten wie Mayer-Vorfelder, den man heute zu Recht als einen „alten weißen Sack mit rechter Vergangenheit“ bezeichnen kann, über den Fußball herrschten. Die Gehälter waren in der Zeit vorm Bosman-Urteil noch moderat, die Vereine wurden von hemdsärmeligen Kerlen geführt, die wussten wo der Wurstsalat und das Feierabendbier standen.
Politik interessierte Buck nie, als Lektüre reichte ihm die Bild, er spielte Fußball. Wahrscheinlich bedurfte es dieses Tunnelblicks und dieser Interessenlosigkeit, um sich ganz auf den Sport zu konzentrieren und darin aufzugehen. Wer im Fußball-Business zu viel nachdenkt und am Ende sein Handeln vielleicht noch reflektiert, geht unter.
Im Fußball wird Buck ein fast (er war mal für die Nationalelf nominiert, verletzte sich aber im entscheidenden Moment und wurde nie ein Yogibube) ganz Großer, auch weil er verinnerlicht, dass eine Mannschaft nicht aus 11 Freunden, sondern 11 Egos besteht.
Die Ausflüge in Taktik, Trainingsprogramme und den Alltag der Meisterschaft lesen sich mit Gewinn, Buck ist ein guter Zeitzeuge, Ehrmann gelingen bedrückend schöne Sätze wie:
„Bevor der Fußball sich in der großen, weiten Welt verlor, kam er 1998 noch einmal bei sich an. Im kleinen Kaiserslautern in der wirtschaftlich schon abgehängten Pfälzer Provinz. Noch ein letztes Mal war so etwas wie Romantik möglich. Ein Triumph wie aus Fritz Walters Zeiten. 70000 Mark haben wir als Meisterprämie bekommen, jeder Spieler im Kader gleich viel. Egal ob er 30 Spiele gemacht hat oder drei. Die Mannschaft hat das so entschieden. Große Diskussionen darüber gab es nicht… Wir waren alle Helden. Und jeder für sich war verliebt in unsere Geschichte.“
Ehrmann meint es ehrlich, er hat ein Gespür für die Dramen der normalen Leute. Turbo ist ein saustarkes und angenehm literarisches Buch mit einer hoffnungsfrohen Prise Fußballromantik.