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Nominiert Fußballbuch 2021

Ein Match für Algerien

(2020/2021)
Nominiert zum  Fußballbuch des Jahres 2021 
bahoe books
Verlagsinfo www.bahoebooks.net
24,00 Euro
978-3-903290-46-4

Rezension: Ein Match für Algerien

Nicole Selmer
von Nicole Selmer

In einem Jahr, in dem bei der Europameisterschaft der Männer scheinbar plötzlich die Verbindung zwischen Fußball und Politik entdeckt wird, ist es nicht schlecht, daran erinnert zu werden, dass dieses Band schon viele Jahrzehnte zuvor eng geknüpft war. Das tut die Graphic Novel "Ein Match für Algerien", getextet und gezeichnet von den drei Franzosen Javi Rey, Bertrand Galic und Kris. Das Original erschien, vermutlich nicht zufällig, 2016, also im Jahr der Männer-EM in Frankreich. Und es erschien, vielleicht auch nicht zufällig, nicht bei einem französischen Verlag, sondern bei Dupuis in Belgien.

Der Band erzählt in Worten und Bildern die Geschichte eines Fußballteams, das sich als Nationalmannschaft einer Nation verstand, die es noch nicht gab. Ein Team, das zwischen 1958 und 1962 der kickende Fuß der algerischen Befreiungsbewegung war, des Front de libération nationale, kurz FLN. Vielen Leser*innen im deutschsprachigen Raum wird diese Geschichte vermutlich neu sein, und allein deswegen lohnt die Lektüre. Denn der französische Fußball ist ohne die Folgen des Kolonialismus und des Kriegs in Algerien unvollständig – so unvollständig wie er es ohne Zinedine Zidane und Kylian Mbappe wäre.

"Ein Match für Algerien" ist aber nicht in erster Linie eine historische Lektion, auch wenn sich Hintergründe, Fakten und ein Gespräch mit Rachid Mekhloufi, einem der Protagonisten, im anhängenden Dossier finden. Zunächst einmal erzählt die Graphic Novel eine spannende und mitreißende Geschichte. Die Gründung der Mannschaft, die nur durch eine spektakuläre Flucht der in Frankreich beschäftigten Spieler möglich war, die Verbindungen der einzelnen Akteure untereinander und das für die Kolonialgeschichte Frankreichs und Algerien so entscheidende Massaker von Sétif und nicht zuletzt die Rolle des Fußballs auf beiden Seiten des Mittelmeers – all das geben die Panels in einer dynamischen Bildsprache wieder.

Der Verlockung, die Geschichte dieser Mannschaft und ihrer Spieler als ungebrochene Heldenstory zu erzählen, haben die Autoren zum Glück widerstanden. Stattdessen werden die widerstreitenden Motive und Charaktere ebenso sichtbar wie die miteinander verwobenen Identifizierungen, die sie umgeben, wenn etwa Mustapha Zitouni bei der WM 1958 zu Frankreich hält – jenem Team, für das er selbst gespielt hat. Und wenn Rachid Mekhloufi am Ende zu seinem Klub Saint-Etienne zurückkehrt, wo er noch heute als einer der wichtigsten Spieler der Vereinsgeschichte gilt.

"Ein Match für Algerien" trägt ein Land in Nordafrika im Titel, erzählt aber eine Episode, die Teil der europäischen Fußballgeschichte ist. Im Jahr der EM 2020/21 und des Europa-Themas der Akademie wäre es eine schöne und ungewöhnliche Wahl für das Fußballbuch des Jahres.

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