Köglberger
Vom Besatzungskind zur Fußballikone (2024/2025)
Rezension: Köglberger. Vom Besatzungskind zur Fußballikone
Thomas Pöltl2021 wurde zum ersten Mal eine Graphic Novel als Fußballbuch des Jahres nominiert. In "Ein Match für Algerien" wurde mir erstmals bewusst, wie gut sich dieses Genre für die Darstellung durchaus komplexer Geschichten eignet. So wie bei dem vorliegenden Buch der Autoren Philip Bauer und Anatol Vitouch, die in Zusammenarbeit mit dem Illustrator Eugenio Belgrado ein faszinierendes Werk präsentieren, das weit über eine herkömmliche Fußballer*innen-Biografie hinausweist.
Im in großen Teilen immer noch faschistisch und konservativ geprägten Nachkriegsösterreich, das sich jahrzehntelang als ein Opfer des Zweiten Weltkriegs verstand, wurde im Jänner 1946 Helmut Köglberger als Sohn einer Magd und eines afroamerikanischen Besatzungssoldaten im oberösterreichischen Steyr geboren. Der Vater verschwand spurlos, die Mutter wurde sozial geächtet, hatte sie sich nicht nur ein uneheliches, sondern gar ein "schwarzes Kind andrehen lassen".
Köglbergers Mutter konnte und wollte ihr Kind nicht behalten, so wuchs es bei seiner Großmutter Zäzilia auf einem Bauernhof in Sierning auf. Die Oma wurde für ihn Mutter- und Vaterersatz und - als für ihre Zeit emanzipierte und starke Frau - förderte und unterstützte sie ihren "Heli" gegen die feindlich gesinnten Dorfbewohner*innen. Von seiner Großmutter erhielt Köglberger auch seinen ersten Fußball, der fortan sein treuester Begleiter werden sollte und ihm im wahrsten Sinne des Wortes nicht mehr vom Fuß weichen sollte.
Schon bald wurde man auf das außergewöhnliche Talent aufmerksam und eine "Bilderbuchkarriere" – natürlich mit einigen Brüchen versehen – nahm ihren Beginn.
Helmut Köglberger wurde je 3x österreichischer Meister und Cupsieger (1x mit dem LASK, 2x mit der Wiener Austria), 2x Torschützenkönig und erzielte 6 Tore in 28 Spielen für das Nationalteam, das er auch in einigen Spielen als Kapitän auf das Spielfeld führte.
Im privaten Leben sollte sich vieles zum Positiven wenden: mit seiner Frau Christina gründete er eine Familie mit den Söhnen Michael, Helmuth und Stefan.
Bemerkenswert ist auch das soziale Engagement Köglbergers: mit seinem Sohn Stefan startete er das Projekt "Acakoro", das Kindern aus den Slums in Nairobi, Kenia, Bildung, Fußballtraining und Zukunftsperspektiven bietet.
Helmut Köglberger hat weitere Spuren hinterlassen: so wurde er zum Jahrhundert-Spieler des LASK gewählt und der Vorplatz des Stadions in Linz bekommt eine neue Adresse: "Helmut-Köglberger-Platz 1".
Am 18. März wurde in einer Club 2x11-Veranstaltung die Graphic Novel über Helmut Köglberger vorgestellt und ich hatte im Vorfeld die Gelegenheit, in Gesprächen mit Philip Bauer und Eugenio Belgrado mehr über das Zustandekommen zu erfahren: monatelange, akribische Recherchearbeit war notwendig, um das Österreich von den 1940ern bis in die 1970er Jahre visuell so umzusetzen, dass nicht eine bloße Kopie erzeugt wird, sondern ein möglichst authentisches Bild dieser Zeit gezeichnet wird.
Seit Jahren versuchten einige liebe Bekannte, mir die Besonderheiten und Qualitäten von Graphic Novels näher zu bringen, lange Zeit ohne nachhaltigen Erfolg. Die Kombination von unbewegten Bildern und Sprache, wie sie in Comics Verwendung findet, wurde jahrzehntelang von Vertreter*innen einer sogenannten Hochkultur nicht ernst genommen, umso mehr freut es mich, dass ich vor allem durch diese Graphic Novel einen neuen Zugang zu Lektüre und visueller Wahrnehmung gefunden habe, die mein Herz auf mehreren Ebenen höherschlagen lässt: bibliophil, humanistisch, aufklärerisch.