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Platz 8 Fußballbuch 2018

Lob des Fußballs

Platz 8  Fußballbuch des Jahres 2018 
Jürgen Kaube
C.H. Beck
Verlagsinfo www.chbeck.de
14,00 Euro
978-3-406-70050-7

Rezension: Lob des Fußballs von Ulrich Rüdenauer (MDR Kultur)

Rezension: Lob des Fußballs

Bernd Gäbler

Was hat dieses Fußballjahr geprägt? Was wäre also ein passendes Fußballbuch des Jahres? Könnte es von der deutschen Nationalmannschaft handeln, von der WM, von einem Verein, einer Liga oder sollte es eine Biografie sein? Wohl kaum. Kein einzelnes Ereignis überragte alles andere. Darum passt es zu diesem Jahr, ins Zentrum zu stellen, was die Deutsche Nationalmannschaft offenkundig zu wenig getan hat: den Fußball selbst.

Der Fußball verlangt Leistungen, die überhaupt nur in diesem Spiel einen Sinn haben, nirgendwo sonst. Sie sind so vielfältig, dass es dafür keinen Normkörper gibt. Hier regiert das Paradox, dass man den Ball abgeben muss, um ihn zu behalten. Weil der Ball mit dem Fuß nicht in Besitz genommen werden kann, bleibt er immer frei. Unter allen Ballsportarten ist der Fußball diejenige, in der das Spielfeld am vollständigsten genutzt wird.

Früher war alles besser? Das Fußballspiel nicht.

Gepasst wird in alle Richtungen, es gibt keine privilegierten Zonen für den Abschluss. Fußball kann die Zeit dehnen und komprimieren. Mal geht alles ganz langsam, dann ganz schnell. Prägend ist nur die Abseitsregel, denn sie bestraft Angreifer, die es sich zu einfach machen und zwingt alle Spieler, in Querlinien zu denken, wenn sie gerade dabei sind, in Steillinien zu handeln. Während das Elfmeterschießen deswegen besonders ist, weil es die Spieler asymmetrisch individualisiert. Die Chance, zum tragischen Helden oder gar Deppen zu werden ist deutlich größer, als aufgrund eines verwandelten Elfmeters in die Fußballgeschichte einzugehen.Vor allem aber bietet der Fußball eine Fülle von Eindrücken, Zahlen, Namen und Geschichten. Er verbreitet - ähnlich wie die Popmusik - ein Generationsgefühl. Darum ist das Dasein als Fan immer auch eine romantische Übung und der Verein das organisierte Leiden am Fußball.

Das alles sind Sätze aus dem schmalen, von Philipp Wächter dezent illustrierten, essayistischen "Lob des Fußballs"-Bändchen von Jürgen Kaube. Er ist Fan, also durch und durch begeistert, aber beweist gleichzeitig, dass man auch nachdenklich jubeln kann. Er weiß, dass früher alles besser war, das Spiel aber nie so gut wie heute. Er will den Fußball in seinen Gegensätzen denken, frei von Kitsch und Moralin. Er weiß, dass der Kommerz den Fußball besser gemacht hat als er jemals war und fragt doch, ob Geld nicht auch Eigentore schießen kann. Er hasst Reporter, die den Fußball nicht ernst nehmen und betont gleichzeitig, dass Fußball eben nicht der Ernstfall ist, sondern ein Spiel.

Fußball ist eine zweckgerichtete Aktion

Von anderen, die über den Fußball nachdenken, unterscheidet sich Kaube aber fundamental. Diese fragen meist, was der Fußball alles repräsentiert. Sie sehen in ihm dann beispielsweise eine zivilisierte Form des Krieges (Antje Vollmer), eine moderne Form des Tribalismus oder der Entfesselung von Massen (Elias Canetti), eine Parallele zur Politik (Norbert Seitz), eine Ersatzreligion (Herbert Zimmermann) oder das letzte klassenübergreifende Lagerfeuer der Gesellschaft (Reinhold Beckmann). Nein, sagt Kaube, natürlich gibt es im Fußball nichts, was es nicht auch außerhalb des Fußballs gibt, aber im Kern ist Fußball eine zweckgerichtete Aktion, die an nichts erinnert als an sich selbst. Er feiert auch nichts anderes als sich selbst. Das unterscheidet ihn von religiösen Ritualen. Er ist, so heißt es dann auf gebildet "eine nichtmimetische Bewegungsimprovisation". Oder anders: Fußballspieler führen nichts auf. Sie spielen, aber sie spielen nichts vor, sie stellen nicht etwas anderes dar. Kaube interpretiert also in den Fußball nichts hinein, trägt nicht etwas von außen an ihn heran, sondern untersucht begeistert, was alles in ihm steckt. Das ist das Schöne an diesem "Lob des Fußballs".

Weil Jürgen Kaube ursprünglich studierter Soziologe ist und im Hauptberuf einer der Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, spannt er natürlich einen großen bildungsbürgerlichen Bogen. Er beginnt bei Pindars Olympischer Ode und endet – wie könnte es anders sein – mit seinem großen Lehrer, dem berühmten Bielefelder Soziologen Niklas Luhmann. "Mehr als irgendeine andere Spezialität der Moderne," wusste dieser zum Fußball zu sagen, "eignet er sich dazu, die Einheit von Leichtigkeit und Schwere zu symbolisieren." Und genau das entsteht nach der Lektüre von "Lob des Fußballs", die feine Emotion, sich zugleich leicht und schwer zu fühlen. 

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