NominiertFußballbuch 2020

Football Disco!..

The Unbelievable World of Football Record Covers (2019/2020)
Nominiert zum  Fußballbuch des Jahres 2020 
Verlag der Buchhandlung Walther König
Verlagsinfo www.buchhandlung-walther-koenig.de
19,80 Euro
978-3-96098-596-9
Buchcover Football Disco!.. - The Unbelievable World of Football Record Covers von Pascal Claude

Rezension: Football Disco!

Nicole Selmer
von Nicole Selmer

Dass Fußball und Musik zusammengehören, muss man vielen Menschen gar nicht erklären, denn gibt es nicht genug Beispiele dafür? Der Kop und die Beatles, Popsongs der 1990er, dann HipHop und zwischendurch irgendwie auch Karneval. Und Schallplatten und Fußball, natürlich, das Runde im Eckigen … das passt. Die Kombination klingt wie aufgelegt für eine coole Publikation.

Das Wunderbare an Pascal Claudes Buch "Football Disco!..", zu dem auch die Website 45football.com gehört, ist, dass die dort präsentierten Plattenhüllen und Lieder genau das meist nicht sind, cool nämlich. Dilettantische Zugänge zur Musik hätten ihn immer schon interessiert, sagt Claude in einem Interview und tatsächlich sind viele Songs und Cover auf den ersten Blick oder das erste Hören von einer fast rührenden Peinlichkeit. Selbst New Order, die mit dem WM-Song "World in Motion" 1990 ihren einzigen Nummer-Eins-Hit landeten, klingen nicht mehr ganz so cool, wenn John Barnes dazu rappt.

Claude konzentriert sich auf eine ganz bestimmte Form, die 7-Zoll-Single, die mit 45 Umdrehungen pro Minute abgespielt wurde. Die schwarzen Platten der von ihm gesammelten Fußballsongs stecken in Hüllen, die in allen Farben des Regenbogens leuchten oder, da die Zeit ihnen meist längst zugesetzt hat, eben oft auch nicht mehr leuchten. Auf der Website sind die Cover auf die einzig ästhetisch sinnvolle Art angeordnet, in der auch Bücherregale zu sortieren sind: nach Farbe. Bunte Cover und schwarze Platten decken eine große Bandbreite von Epochen, Stilen, Vereinen und Interpret*innen ab – Claudes Sammlung umfasst inzwischen mehr als 1.000 Platten aus über 40 Ländern. Dort finden sich bekannte Sänger und Fußballer wie Rod Stewart und Pelé und manche, die beides sind wie Petar Radenkovic, Hans Krankl, Kevin Keegan und – auch musikalisch eine der begabtesten – Pia Sundhage.

Im Buch geben die Covermotive die Ordnung vor: Bälle, Teams, Interpret*innen, Wappen, Pokal, gezeichnete und grafisch gestaltete Hüllen. Anders als bei anderen populärkulturellen Phänomen, denen das Vergehen von einer Generation und mehr eine Retropatina verleiht, macht die Zeit viele der Platten einfach nur älter, nicht schöner. Doch in der heutigen Fußballwelt, in der Laufwege und Pässe zumindest in der Theorie ebenso perfekt einstudiert sind wie die Präsentation neuer Trikots und der Social-Media-Auftritt der Vereine, entfalten The Wurzels mit "One for the Bristol City" oder die (von mir) ungezählten Varianten des Napoli-Esels als Coverstar ihre eigene Schönheit.

Auf diese Art kann man sich beim Blättern und idealerweise gleichzeitigem Hören einen eigenen Weg durch Claudes Football-Disco bahnen, das Buch enthält jedoch auch Texte, die dabei helfen. Sie sind, ebenso wie die Platten, international, thematisch und sprachlich. Luciano Caldarelli schreibt über die Lieder an, für und über die Boca Juniors aus Buenos Aires und deren vier Säulen – Stadion, Viertel, Farben und Fans. Grahame Waite widmet sich dem Mutterland von Fußball und Pop, dem Spieler als Sänger und natürlich dem Song "Three Lions". Für das auf den ersten Blick trübe Kapitel des deutschen Fußballliedes – übrigens fast ausschließlich ein westdeutsches Phänomen – bricht Christian Hahn eine Lanze: Auch sie seien immer wieder in der Lage, "das große Versprechen des Pop zu transportieren: Was ich da höre, das hat mit mir zu tun!"

Claude selbst steuert einen Text zum italienischen Fußballlied bei und beschreibt zudem im Einleitungstext die Faszination des Sammelns und der Sprache der Plattenhüllen. Der Begriff des Dilettantischen taucht dort nicht auf, doch das könnte er, aber nicht in seiner heute meist verstandenen Bedeutung von minderwertig und unprofessionell, sondern im früheren Verständnis. Denn die italienischen und lateinischen Ursprungswörter dilettante und delectare meinen: etwas zum Vergnügen, aus Freude an der Sache tun. Das trifft sicher nicht den Kern jeder musikalischen Darbietung und geht auch an der kommerziellen Kalkulation vorbei. Doch "Football Disco!" könnte nicht besser beschrieben sein als damit.

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