Zum Hauptinhalt springen Skip to page footer
Nominiert Fußballbuch 2021

Erwin Kostedde

Deutschlands erster schwarzer Nationalspieler (2020/2021)
Nominiert zum  Fußballbuch des Jahres 2021 

Rezension: Erwin Kostedde

Marco Puschner / Nürnberger Zeitung
von Marco Puschner

Dezember 1974. Die deutsche Nationalmannschaft befindet sich nach dem Gewinn der Fußball-Weltmeisterschaft im Umbruch, vor allem steht Torjäger Gerd Müller nicht mehr zur Verfügung. Neues Personal ist gefragt. Da gerät auch Erwin Kostedde in den Fokus, einer der besten Stürmer jener Zeit,  der für den damaligen Bundesligisten Kickers Offenbach zuverlässig trifft.  
Für den 28-Jährigen geht ein Traum in Erfüllung, als er kurz vor Weihnachten beim 1:0-Sieg in Malta tatsächlich für die Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) debütieren darf. Kostedde, 1946 als Sohn eines unbekannten US-amerikanischen Soldaten und einer Mutter aus Münster geboren, ist Deutschlands erster schwarzer Nationalspieler. Doch glücklich wird er nicht mit dem Adler auf der Brust.
Alexander Heflik, Sportchef der "Westfälischen Nachrichten", erzählt in seinem aktuellen Buch die Geschichte Kosteddes, der es trotz seiner überragenden Fähigkeiten letztlich nur auf drei Einsätze für die Nationalelf bringt und auch bei keinem großen Turnier mitspielt. Heflik zeichnet sensibel nach, wie Kostedde sich im Kreis der Besten nicht willkommen fühlt, wie er leidet unter rassistischen Beleidigungen selbst von deutschen Fans und unter der Ignoranz der DFB-Funktionäre. Er hat das Gefühl, sie wollten ihm, dem Schwarzen, nicht die Hand geben. Diffamierungen wegen seiner Hautfarbe begleiten ihn ein Leben lang.
Auf dem Spielfeld indes glänzt Kostedde - mit Doppelpass und Übersteiger - nicht nur in Offenbach, sondern zum Beispiel auch bei Standard Lüttich in Belgiens erster Liga und in hohem Fußballer-Alter bei Werder Bremen. 98 Tore in 219 Bundesligaspielen stehen in seiner Bilanz. Der Ball sei sein Freund, schreibt Heflik.
Doch jenseits des Rasens entgleiten Kostedde die Dinge immer wieder. Er hat Alkoholprobleme, kann mit Geld nicht umgehen. Sein mit Fußball erwirtschaftetes Vermögen zerrinnt ihm zwischen den Fingern. 1990 wird er zu Unrecht eines Überfalls bezichtigt und landet zwischenzeitlich im Gefängnis. Kosteddes Ehe mit Monika funktioniert über all die Schwierigkeiten hinweg, doch 2019 stirbt sie an Krebs.
Der Autor sagte in einem Interview, dass er das Buch auch "Ein deutsches Leben" hätte nennen können. Heflik erzählt dieses Leben nicht chronologisch, sondern springt zwischen den Zeiten. Mal ist man im Jahr 1980 und begleitet Kostedde auf der Zielgeraden seiner Karriere, dann geht es wieder zurück in dessen Kindheit im Jahr 1954. Diese Erzählweise passt zum Sprunghaften, zum Auf und Ab in der Laufbahn des Stürmers und macht die Lektüre noch reizvoller.
Heflik, der sich für das Buch regelmäßig zu einstündigen Gesprächen mit dem Ausnahmestürmer getroffen hat, ist ein einfühlsames Porträt des heute 75-Jährigen gelungen. "Ich trage Schuld, weil ich nicht genug aus meinen Fähigkeiten gemacht habe", sagt Kostedde. Ein trauriges Fazit am Ende eines lesenswerten Werks, das in meinen Augen den  Titel "Fußball-Buch des Jahres" redlich verdient hätte.

zurück

Das könnte Sie auch interessieren

News zum Thema

Literatur

Gemeinsam mit dem Nürnberger Musiker Gymmick ruft Akademiemitglied und "Fußballbuch des Jahres 2021"-Gewinner Bernd-M. Beyer am Sonntag in Freiburg die Saison 1971/72 in Erinnerung.

Weiterlesen
Literatur

Eine außergewöhnliche Verbindung von Fußball, Musik und der gesellschaftspolitischen Entwicklung der Bundesrepublik gelingt Bernd-M. Beyer im diesjährigen Siegerbuch. Der Autor freut sich nach seiner Auszeichnung 2017 zum zweiten Mal über den Titel "Fußballbuch des Jahres" und über ein Preisgeld von 5.000 Euro, gestiftet vom Akademie-Hauptsponsor easyCredit.

Weiterlesen
Cookies verwalten