NominiertFußballbuch 2020

Machtspieler

Fußball in Propaganda, Krieg und Revolution (2019/2020)
Nominiert zum  Fußballbuch des Jahres 2020 
Ronny Blaschke
© Reinaldo Coddou H.

Rezension: Machtspieler

Anna Kemper / Die Zeit
von Anna Kemper

Fußball ist eine Macht. Er bewegt Millionen von Menschen und Milliarden von Euro. Er ist Leidenschaft und Wirtschaftsfaktor, er kann Gesellschaften einen und spalten. Wer ihn kontrolliert, sichert sich diese Macht. Kann Stimmungen lenken und unterdrücken, Abhängigkeiten schaffen, sein Image verbessern. Ein weltweites Phänomen. 

Ronny Blaschkes Buch "Machtspieler" stellt Fragen, die sich aus der politischen und ökonomischen Instrumentalisierung des Fußballes ergeben: Wie wird der Fußball benutzt, um politischen Einfluss global zu organisieren? Kann die globale Aufmerksamkeit des Sports Gesellschaften öffnen? Oder führt sie dazu, dass Repressionen umso härter werden?
Um Fragen wie diese zu beantworten ist Blaschke in fünfzehn Länder auf vier Kontinenten gereist und hat 180 Interviews geführt. Er beschreibt, wer diese Macht für sich zu nutzen versucht: Wie Länder wie Katar oder China in den Fußball investieren, um global an Bedeutung zu gewinnen. Welche Rolle der Fußball in den Unabhängigkeitsbestrebungen in Spanien spielt. Wie die türkische Regierung den Widerstand in den Stadien schwächen konnte. Wie sich 2011 in Ägypten, 2013 in Istanbul oder 2014 in der Ukraine rivalisierende Ultra-Gruppen gegen Autokraten verbündeten. Wie sich die ethnischen Konflikte auf dem Balkan in den Fankurven entladen.

Aber wie jedes gute Fußballbuch ist "Machtspieler" nicht nur ein Buch über Fußball. Durch das Brennglas Fußball erklärt Ronny Blaschke nüchtern und konzentriert Geschichte, Konflikte und Traumata, Ambitionen und Ziele von Staaten und Gesellschaften. Er zeigt, dass ein Sport, der so groß ist wie der Fußball, nie ganz neutral sein kann, und auch wir als Zuschauer*innen und Fans es nicht sind. "Unser wohltemperierter Stadionbesuch in Westeuropa ist mit der Ausbeutung asiatischer Trikotnäherinnen verknüpft. Fans empören sich, wenn der DFB eine Serie von Freundschaftsspielen mit einer chinesischen Jugendauswahl verabredet. Aber es fällt ihnen weniger auf, dass Sponsoren und Vermarkter ihrer Lieblingsclubs längst mit chinesischen, russischen oder arabischen Konzernen verflochten sind. (…) Wie kritisch man als Fußballkonsument auch sein mag – man ist Teil eines Systems, in dem Menschen Schaden nehmen".

Es ist kein Fußballbuch, dass Lust auf Fußball macht. Aber darauf, sich über den Fußball hinaus dafür zu interessieren, was abseits der 90 Minuten in einem Land eigentlich passiert. Deshalb ist "Machtspieler" mein Fußballbuch des Jahres.
 

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