Der große Gogo
(2023/2024)Rezension: Der große Gogo
Thomas PöltlGustav "Gogo" Goggerwenig heißt der Protagonist in Egyd Gstättners biografischen Roman, Günther "Gogo" Golautschnig ist der Name des im realen Leben existierenden, ehemaligen Profi-Fußballspielers, der sich in seinem ersten Länderspiel für das österreichische Nationalteam so schwer verletzte, dass er danach nicht mehr in die sprichwörtliche "Spur" fand.
Wie nebenbei, in sogenannten Nebensätzen, werden Anekdoten österreichischer und Weltpolitik der 80er Jahre eingestreut. Ein Text, bestehend aus "Nebensätzen", es scheint kein "Haupt" zu geben.
Wie beiläufig entspinnt sich dadurch ein inhaltlich dichtes Netz, das mich als Lesenden gefangen hält. Ein großer, kleiner Text, der die Kleinheit und Unbedeutendheit des individuellen Seins beschreibt, das dennoch immer wieder nach Beachtung, nach Wichtigkeit schreit/giert/eifert. Manche Sätze treten von sich aus in den Hintergrund, indem sie von rIn unden Klammern umgeben sind: "(Wie die Liebe zum Leben im Grund nur Furcht vor dem Tod ist, so beruht auch der Geselligkeitstrieb der Menschen nicht auf Liebe zur Gesellschaft, sondern auf Furcht vor der Einsamkeit, vor der Öde und Beklommenheit des Alleinseins, vor der Monotonie des eigenen Bewusstseins.)"
Egyd Gstättner spielt mit der Rolle seiner Geschichte, zitiert sich selbst, um (sich) zu relativieren, aber nicht, um die Relativierung sich selbst und der Wichtigkeit zu überlassen, relativieren, um zu verstehen, vielleicht.
Egyd Gstättner schreibt einen quasi biografischen Roman, einen Roman, in den er sich selbst einwebt, sich selbst zitiert, um das Eigene des Biografierten wie sein eigenes zu "zerlegen", zu relativierten, neu aufzubauen, zu dekonstruieren …
Egyd Gstättner arbeitet sich an einer anderen, einer eigenartigen, andersartigen Biografie ab, um der eigenen in ihrer Zerbrechlichkeit näher zu kommen und nimmt mich mit auf diese Reise, deren Ausgang ungewiss scheint.
Ein Drama, in und mit dem gespielt wird, aber nicht um des Spielens willen, denn die Wahrheit liegt nicht auf dem Platz, wenn sie wo liegt, dann in den Biografien/den Biografierten oder einfach nur im Leben.
Ein kleines, unscheinbares Buch, 150 Seiten einer kleinen, scheinbar unscheinbaren (auto)biografischen Erzählung, die trotz der verschiedenen "Spielarten" versucht, der Wahrheit (bzw. dem, was als Wahrheit wahrgenommen wird) treu zu bleiben und in diesen Versuchen gleichzeitig zu wissen scheint, dass sie verloren hat.
"Der große Gogo" könnte im Untertitel "Roman einer Gradwanderung" heißen, detailliert – ohne sich darin zu verlieren – werden Biografie und Autobiografie dekonstruiert.
Es wird viel zu viel geredet, es wird viel zu viel geschrieben in dieser Welt. "Der große Gogo" gehört nicht zu diesem zu viel Geredeten und zu viel Geschriebenen dazu.
Definitiv eines der spannendsten und interessantesten Bücher, das ich je gelesen habe. Danke.