Menschenrechte

Rückblick auf den Kongress „Fußball und Menschenrechte“

Ob Katar, Russland oder vor unserer Haustür: "Kritik an Menschenrechtsverletzungen hat mehr Gewicht, wenn sie aus dem Fußball selbst formuliert wird."

© Grafik: Anne-Katrin Enderlein / Foto: Lothar Mantel
Prof. Mark Pieth, Claudia Roth, Moderator Jörg Jakob, Sylvia Schenk, Helmut Spahn (v.l.)
© Karl-Friedrich Hohl

Eine Woche vor Bundesliga-Start fand in Nürnberg der Kongress „Fußball und Menschenrechte“ der Deutschen Akademie für Fußball-Kultur statt. „Bei aller Wut über die WM-Vergabe nach Katar: Im Kampf für die Menschenrechte ist der Zug noch nicht abgefahren“, sagte die Leiterin der Akademie, Birgitt Glöckl. Gerade im Fußball bezögen Fangruppen und Initiativen auch hierzulande längst Position. Sei es beim Engagement für Flüchtlinge oder bei Protesten gegen die Reisen von Bundesligavereinen wie dem FC Bayern München oder Borussia Dortmund in Länder, die Menschenrechte verletzen. 

Am Freitag Abend hatte die Bundestags-Vizepräsidentin Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen) aus den gleichen Gründen eine Absage der WM 2022 in Katar ins Spiel gebracht. „Was auf den Baustellen passiert, ist moderne Sklaverei." Auch Sylvia Schenk von „Transparency International“ kritisierte die Machthaber vor Ort und die „handlungsunfähige“ Fifa. Prof. Dr. Mark Pieth, Strafrechtsprofessor und ehemaliger Leiter der Fifa-Reformkommission, rechnet damit, dass es „mindestens zehn Jahre“ dauern werde, ehe der Weltverband seine korrupten Strukturen überwunden habe und seiner politischen Verantwortung gerecht werden könne. Auch auf die fünf möglichen Blatter-Nachfolger – „drei Problemfälle und zwei schwache Kandidaten" – dürfe man keine überzogenen Hoffnungen setzen.

Die Zivilgesellschaft ist gut aufgestellt - auch im Sport

„Umso erfreulicher ist es, dass die Basis des Sports eine klare Haltung zeigt und den Verbänden auf die Finger schaut“, bilanzierte Glöckl. „Die großen internationalen Menschenrechtsorganisationen und Fußballfans sprechen hier mit einer Stimme.“ Die „Sport & Rights Alliance“ war mit „Terre des hommes“, „Human Rights Watch“, „Transparency International“ und „Football Supporters Europe“ (FSE), einem Zusammenschluss von Fußballfans aus 48 Ländern, in Nürnberg vertreten. FSE-Sprecherin Daniela Wurbs monierte, dass auch im deutschen Fußballalltag Grundrechte verletzt würden: „Fußballfans werden zu oft als Täter und zu selten als Bürger wahrgenommen.“

Angetreten war die Akademie mit dem Vorhaben, Aktive aus dem Fußball und der Menschenrechtsarbeit zusammenzubringen, aktuelle Problemfelder zu benennen und das Potential einer Verbindung beider Bereiche zu nutzen. „In Zeiten, in denen Politik und Verbände ihrer Verantwortung nicht gerecht werden, wird die Zivilgesellschaft aktiv. Wie stark sie im Fußball schon ist, hat dieses Wochenende gezeigt.“

Sportartikelindustrie, Inklusion und Empowerment - der Fußball zwischen Problemen und Chancen

Die beiden Kongresstage illustrierten, wie vielfältig sich die Themen an der Schnittstelle zwischen Fußball und Menschenrechten darstellen. Der Workshop zur Sportartikelindustrie lenkte den Scheinwerfer auf die katastrophalen Arbeitsbedingungen unter denen unsere Schuhe, Trikots und Bälle angefertigt werden. Zustände, die im Bewusstsein von Fans, Vereinen und Spieler_innen offenbar noch gar nicht angekommen sind. Eine andere Herausforderung, nämlich Menschen mit Handicap im Sinne der Behindertenrechtskonvention in den Fußballsport zu inkludieren, ist dagegen mittlerweile als solche angenommen. Besonders ermutigend ist überdies die Erkenntnis, dass der Populärsport Fußball als Triebfeder für die Stärkung von Menschenrechten wirken kann: Etwa in der Entwicklungszusammenarbeit, als Mittel in der Arbeit mit Geflüchteten oder zur Stärkung von Frauenrechten in patriarchalisch geprägten Gesellschaften.

Alle Augen auf Katar? Russland nicht vergessen.

Ein Kongress könne dabei gar nicht die gesamte Bandbreite an Themen aufgreifen, wie die Veranstalter schon zu Beginn der Veranstaltung unterstrichen. In Anbetracht der Vielzahl von Herausforderungen dürfe man dann auch nicht die Übersicht verlieren. Das nächste WM-Gastgeberland Russland, wo menschenrechtliche Standards zuletzt kontinuierlich gesenkt wurden, gerate durch die Fixierung auf Katar bereits aus dem Fokus. Dr. Marianne Meier (TDH) appellierte daher zum Abschluss an die Teilnehmer_innen, die verbleibenden beiden Jahre bis zur Austragung verstärkt zu nutzen - denn: "Kritik an Menschenrechtsverletzungen hat mehr Gewicht, wenn sie aus dem Fußball selbst formuliert wird."

Veranstalter: Stadt Nürnberg - Deutsche Akademie für Fußball-Kultur & Verein zur Förderung innovativer Kulturarbeit e.V.
Gefördert durch: Pool zur Förderung innovativer Fußball- und Fankultur (PFiFF) der DFL und DFB-Kulturstiftung

Hier geht es zu den Ankündigungen: Kongress (inkl. Programm) und Abendveranstaltung Baustelle Menschenrechte

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