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Platz 3 Fußballbuch 2014

Gooool do Brasil

Kartografie einer nationalen Leidenschaft (2013/2014)
Platz 3  Fußballbuch des Jahres 2014 
Club Bellevue
Verlagsinfo www.club-bellevue.com
24,00 Euro
978-3-200-03492-1

Die Rezension zur Nominierung

Ludger Schulze

Der brasilianische Fußball ist ja gerade etwas aus der Mode gekommen, nachdem er seine Quittung bekommen hat bei der WM für die Korruptheit des Verbandes, die Verwahrlosung der Profiliga und den Exodus der besten Talente. Und damit sind auch die meisten Bücher, die sich vor dem Turnier mit dem brasilianischen Fußball auseinandergesetzt haben, ziemlich inaktuell geworden. Das gilt nicht für Alois Gstöttners „Gooool do Brasil“, ganz im Gegenteil. Dort kann man schon herauslesen, woran der „Futebol“ krankt und woran er vielleicht einmal wieder gesunden wird.

„Die Kartografie einer nationalen Leidenschaft“, wie der Autor sein Buch im Untertitel nennt, ist die Beschreibung einer Reise tief in die Seele dieses brasilianischen Fußballs,  an seine Wurzeln, an die Kultstätten und an die vermeintlichen Nebenschauplätze. Gstöttner schreibt nicht aus der Perspektive des Besserwisser-Journalisten, ihm gelingt es, den Leser an der Hand zu nehmen wie einen alten Reisegefährten und gemeinsam auf den Grund des Reisens zu kommen: Neues zu erleben, zu erfahren, zu erlernen. Und so lernt man die erstaunlichsten Menschen und die wunderlichsten Dinge kennen: Bruno, den Inhaber einer Saftbar, der Ronaldo verehrt, seitdem der einmal drei Tore gegen Piacenza geschossen hat; Marco, den obdachlosen Müllsammler, dessen Rekord bei 820 Getränkedosen am Tag steht; Betão, der seit 20 Jahren Trainer der Amateurmannschaft von Boa Esperança ist, jener Mannschaft, in deren Umkleidekabine Gstöttner das pure Glück fand; Sócrates, den Helden der wunderbarsten aller Seleçãos, der zum Che Guevara des Fußballs wurde und schließlich am Alkohol starb.

Gstöttner ist ein Forscher, der zum Beispiel ein Fußballfeld entdeckt, oder besser: das Foto eines Fußballfelds, in dessen Mitte sich ein Baum befindet, worunter der Schiedsrichter gelegentlich Schatten sucht. Er nimmt einen mit zur Copa Kaiser, der Amateurmeisterschaft von São Paulo mit 384 Mannschaften und 1234 Spielen. Sie ist vergleichbar mit der Peladão im riesigen Bundesstaat Amazonas, einem Monate dauernden Turnier, zu dem einige Mannschaften tagelang mit dem Boot anreisen. Jedes Team hat eine Dorfschöne mitzubringen, die an dem parallel stattfindenden Schönheitswettbewerb teilnimmt.

Der Journalist und Fotograf Gstöttner hat ein leicht geschriebenes, anekdotenpralles  und vorzüglich gestaltetes Buch voller Tiefe geschrieben, mit exzellenten Bilderstrecken, zu dem er auch noch das Layout beigesteuert hat. Aus jeder der 176 Seiten spürt man die Liebe des Autors zu Brasilien, zum Futebol und dessen Geschichten „voller Hoffnung und Verzweiflung“, wie er im Vorwort schreibt, „Geschichten über Dramen, Spektakel und Tragödien, über Liebe und Hass, Pathos und Leidenschaft“. Bedauerlich ist nur eines – dass man irgendwann auf den Schlussseiten ankommt. Auf ihnen sind Fotos von fußballspielenden Knast-Insassen zu sehen, die auf dem Gefängnishof Fußball spielen. Zu gerne hätte man noch gelesen, was der Autor dort erlebt hat.

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