Zonenfußball

Anekdotenreicher Sammelband von Akademie-Mitglied Frank Willmann - mit Rezension von Maik Gramfeld

Frank Willmann

Zonenfußball

ISBN: 978-3-355-01792-3
Neues Leben Verlag, 2011
224 Seiten, 16,95 €

Frank Willmann ist einer der Experten für den ostdeutschen Fußball. Das Mitglied der deutschen Autorennationalmannschaft veröffentlichte in den letzten Jahren sowohl Vereinschroniken (1. FC Union Berlin, BFC Dynamo Berlin), als auch Untersuchungen zu Fanwesen und Hooliganismus in der DDR. Mit "Zonenfußball" legt er nun einen Sammelband vor, der sich in zahlreichen Anekdoten und Erzählungen nicht nur den damaligen Fußballgrößen wie etwa Wismut Aue, sondern außerdem Exoten wie Kernkraftwerk Greifswald oder Kofferwerk Waldau widmet.

Verlagsinfo

 

 

Rezension von Maik Gramfeld:

Dumm wie drei Kisten frisch geflocktes Pilsator – über einen erfrischenden Sammelband zum Fußball der Ostzone

„Nach exakt diesem Schema werde ich erwachsen: Chaos und primitives Rumgeprolle unter dem Deckmantel der Oberliga. Ich lerne Jungs kennen, die sich prügeln gehen, bastle an Choreos, schreibe ein paar Texte, singe neue Lieder, träume von den großen Kurven Europas und dem Anspruch, einmal genauso zu sein wie die krassen Typen in den Videos aus Italien, die mit nichts als ihren dreißig Leuten in irgendeinem schäbigen Gästekäfig das Einzige tun, was sie können, weil sie nichts anderes haben…“

Linda Borowski, Jahrgang 1987 und seit 2002 Mitglied bei Red Kaos, schreibt über Fußball, der ihr Leben bestimmt. In der vorliegenden Anthologie ist es dem Herausgeber aufs Feinste gelungen, einunddreißig AutorInnen und eine Illustratorin mit dem Thema Zonenfußball zu konfrontieren. Herausgekommen ist eine bunte Mischung an Texten und wundervoll dazu passenden wie abstrahierten Bildern, die vor allem eins zeigen: hier geht es um Gefühle! Jugend, erste Liebe, Gruppendynamik, Saufen und Bolzen. Auf dem Platz ist immer auch davor, daneben und danach. Thomas Jurisch bleibt bei den Jungs der Dresdner Edelbronx, die wie Wölfe um den Ball balgen;

„Wir waren jung. Jung, unverbraucht und dumm wie drei Kisten frisch geflocktes Pilsator, der vollendete Fluch Dresdner Braukunst aus Coschütz, doch wir waren glücklich. Glücklich, wie nur Jugendliche zwischen neun und dreizehn sein können, deren Entwicklungsphasen ungehemmt, weil störsenderfrei von medialen Einflüssen verlaufen. Unsere Heimatstadt war ARD -  Außer Raum Dresden!“

Ein anderer Autor gerät wegen Christel in ernste Schwierigkeiten;

„Als ich am Montag die Schule betrat, konnte jeder die genähte Platzwunde sehen. Um mich herum wurde getuschelt. Beim Schulessen ließ man mir den Vortritt, einer der Langhaarigen bot mir eine Zigarette an. Ich lehnte ab, um mich nicht vor Christel zu blamieren… Von nun an hatte ich ein Geheimnis. Ich wanderte über den Schulhof und genoss die respektvollen Blicke. Ich wurde zu Feten eingeladen…“

Ole Giec ist mit seiner “Christel“ betitelten Geschichte die wohl poetischste des Bandes gelungen, der auch homoerotischen, ukrainisch-mösengesteuerten und eher statistisch auswertenden Geschichten Platz bietet. Hier findet jeder Leser seinen Lieblingstext und der Herausgeber streut neben einer amüsant pubertären Auswärtsstory eigene Unterklassentexte einer zurzeit lieber nicht näher benannten Retro-Postille bei. Dem Verlag sei gratuliert, diese farbenfrohe Ausgabe in biegsam weichem Softcover besorgt zu haben. Von der einfühlsamen Illustratorin Ulla Loge wird noch einiges zu erwarten sein!

Ganz hinten finden sich übrigens heitere Aufstellungen zum Zonenfußball, der bekanntermaßen ja nicht mit dem Fall der Mauer verschwand, sondern bis heute tapfer vor sich hin dümpelt; dort sind die „Fußballdörfer der Oberliga“ wie Brieske, Böhlen oder Lauter benannt. Auch Oberligaspiele mit den wenigsten Zuschauern, die „souveränsten Absteiger“ oder die höchsten Niederlagen in der Oberliga. Und wer noch Nachhilfe in Sachen Zone und Fußball benötigt, vertiefe sich in den frechen Mitteltext „Wie alles anfing… und zu Ende ging“ von Frank Willmann, der eine kenntnisreiche wie schlaue Analyse im Vergleich zu West- und Weltfußball-Gepflogenheiten bietet."

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