Lernanstoß

„Schlappeschneider – Schlappekicker“

Platz 1  Lernanstoß - Der Fußball-Bildungspreis des Jahres 2008 

Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit der jüdischen und ehemals weltgrößten Schuhfirma „J. & C.A. Schneider in einer Schulprojektwoche, von Geschichtswerkstatt Sportkreis Frankfurt e.V.

Schlappeschneider – Schlappekicker

In der Geschichtswerkstatt setzte sich die 10a der Falkschule aus dem Frankfurter Gallusviertel mit der jüdischen und ehemals weltgrößten Hausschuhfirma „J. & C.A. Schneider" auseinander. Schwerpunkte der Woche, die vom Sportkreis Frankfurt e.V. und vom Eintracht Frankfurt Museum initiiert und von Sozialarbeiterin Helga Roos sowie fünf Studenten und Auszubildenden durchgeführt wurde, waren zum einen die Zeit im Nationalsozialismus, in der die Firma von den Nationalsozialisten „arisiert" wurde, sowie die Verbindungen zur Eintracht. Grundlagen für den zweiten Schwerpunkt waren die Recherchen von Matthias Thoma, Direktor des Eintracht Museums, für sein Buch „Wir waren die Juddebube" über die Eintracht in der NS-Zeit.

Der „Schlappeschneider", wie der Betrieb in Frankfurt genannt wurde, war vor dem Zweiten Weltkrieg Sponsor der Eintracht und unterstützte den Verein auf vielen Ebenen. So stellte die Firma den Fußballern der Eintracht Arbeitsplätze zur Verfügung, die sie brauchten, um nach außen hin ihren Amateurstatus zu unterstreichen. Nicht selten blieben die Schreibtische unbesucht. Walter Neumann, Miteigentümer der Firma, unterstützte die Eintracht als Mäzen. Rudi Gramlich war Chefledereinkäufer des Betriebs. Durch diese engmaschige Verbindung kam die Eintracht auch zu ihrem Spitznamen, der heute noch vielen bekannt ist: „Schlappekicker". In diesem Kontext erfuhren die Schüler auch einiges über die Geschichte ihres Stadtteils, in dem die Firma beheimatet war, über die Entstehung und die Entwicklung des Fußballs in Deutschland bis zum Zweiten Weltkrieg, sowie über jüdische Verdrängung in Sportvereinen. Besonders interessant und einschneidend war für die Schüler die Tatsache, dass die „ganzen Sachen vor unserer Tür passierten", so Calogero, Schüler der Falkschule. In der Woche recherchierten die Schülerinnen und Schülern in Archiven wie dem Institut für Stadtgeschichte oder im Eintracht Museum zur Thematik. Darüber hinaus führte die Klasse angeregte Zeitzeugeninterviews.

Ziel während der Woche war die Entwicklung einer Ausstellung, die die gesammelten Ergebnisse angemessen präsentieren sollte. Zur Ausstellungseröffnung Anfang Juni versammelten sich ca. 100 interessierte Gäste im Saalbau Gallus. Darunter auch der Verwaltungsratsvorsitzende der Frankfurter Eintracht Hans-Peter Griesheimer, Matthias Thoma, der Vorstandsvorsitzende des Sportkreis Frankfurt Roland Frischkorn und der Bundestagsabgeordnete Gregor Amann.

Lukas Wycioslok, Teilnehmer der Projektwoche, erklärte den Zuhörern in seiner Rede, was ihn am Projekt am meisten bewegt hat: „Auf dem Schulweg komme ich in der Mainzer Landstraße bei der Commerzbank und dem Deutschen Fachverlag vorbei, dort, wo früher die Werksgebäude standen. Diese Standorte sehe ich jetzt mit anderen Augen." Für die Schüler war die Projektwoche auch eine willkommene Abwechslung zum Schulunterricht. In lockerer Atmosphäre lernten die Schülerinnen und Schüler für sie neue Dinge über ihren Stadtteil und um den „Schlappeschneider". Alma und Marie sind sich einig: „In dieser Woche haben wir mehr gelernt als in einem Jahr in Geschichte!"

Stellungnahme der Preisträger

Projektteam: Wir freuen uns und sind stolz darauf, dass der Fußball, der als Zugangsmittel zur brisanten Historie der Firma diente, eine solch erfolgreiche Arbeit mit der Klasse ermöglichte und dass das Projekt mit diesem hochrangigen Preis ausgezeichnet wird. Motivierend war für uns die Aufgabe, den Schülern die für sie neue Geschichte des Nationalsozialismus anhand der Geschichte ihres Viertels, speziell anhand der Geschichte des „Schlappeschneiders“ näher zu bringen. Im Jahre des 100-jährigen Jubiläums von J. & C.A. Schneider trägt der Preis zur Erinnerung an den Betrieb, an dessen wechselhafte Geschichte und an die Bedeutung des „Schlappeschneiders“ für den Verein Eintracht Frankfurt in den Vorkriegsjahren bei.

Sportkreis (Roland Frischkorn, Vorsitzender des Sportkreis Frankfurt): Der Sportkreis Frankfurt freut sich über die Auszeichnung des Projektteams. Das Preisgeld ermöglicht, dass das Projekt über die Ausstellung hinaus Anregung gibt und Verpflichtung für die Fortsetzung ist.

Eintracht Frankfurt Museum (Matthias Thoma, Direktor): Ich freue mich, dass das Engagement der Schüler und des Projektteams mit der Vergabe des Preises der Deutschen Akademie für Fußball-Kultur eine so große Anerkennung gefunden hat. Für die Schüler war das Eintracht Frankfurt Museum mehr als der Ort, an dem Sport- und Stadtgeschichte erlebbar gemacht wird: Das Museum war Ausgangspunkt für eigene Recherchen im Heimatstadtteil. Während der Projektwoche konnte man gut beobachten, wie fesselnd Geschichtsunterricht sein kann.

"Lokales Kapital für soziale Zwecke" (LOS) der Stadt Frankfurt am Main (Petra Hesselbach-Kremer): Das Förderprogramm LOS unterstützt seit September 2007 das Mikroprojekt Geschichtswerkstatt: "Schlappeschneider- Schlappekicker" zur jüdischen Schuhfirma Schneider im Gallus. In diesem Zusammenhang werden auch Maßnahmen zur Förderung von Toleranz und Demokratie unterstützt. Über das unmittelbare Ziel, Beschäftigung mit Stadtteil- und Fußballgeschichte, vermittelt das Projekt für Berufsorientierung soziale und fachliche Kompetenzen, stellt auf praktische Weise Berufsfelder vor und stellt längerfristige Kontakte zu den entsprechenden Schulen und Unternehmen her. Die Lokale Koordinierungsstelle LOS gratuliert dem Projektteam und den beteiligten SchülerInnen der Falkschule zum Deutschen Fußball - Kulturpreis 2008 der Deutschen Akademie für Fußball- Kultur.

Wie geht’s weiter?
Der Name des Preises wird von uns als Aufforderung wahrgenommen, mit den gewonnenen Mitteln weitere Projekte folgen zu lassen. So soll beispielsweise ein Folgeprojekt finanziert bzw. angeschoben werden, welches ebenfalls den Fußball und dessen Bedeutung für die Stadt Frankfurt im Fokus haben soll. Die prämierte Ausstellung wird in naher Zukunft im Institut für Stadtgeschichte, in der Berufsschule unseres Layouters, in den Schulen des Stadtteils und im Eintracht Frankfurt Museum zu sehen sein.

Der Nürnberger TESSLOFF Verlag stiftete 5.000 Euro Preisgeld für das Gewinnerprojekt.

Cookies verwalten