Alfredo Di Stéfano
† 07.07.2014
Walther Bensemann-Preisträger 2007
Begleittext zur Preisverleihung 2007
Wer nun der beste Spieler der Welt sei, darüber wird seit Jahrzehnten heiß diskutiert und nicht selten erbittert gestritten. „Pelé oder Maradona?“, heißt in jüngerer Zeit eigentlich meist die Frage. Und darum ging es auch einmal in einer hitzigen Debatte unter Weltstars Ende der 80er Jahre. Auf diese beiden Namen spitzte sich die Diskussion zu, als Ferenc Puskas, der große ungarische Fußball-Zauberer, laut dazwischen rief: „Was streitet ihr euch überhaupt, dafür kommt nur einer in Frage, Alfredo Di Stéfano!“ Viele der Ex-Spieler stimmten Puskas zu. Aber eine Einigung auf „Don Alfredo“, wie Di Stéfano oft genannt wurde, war ebenso wenig herbeizuführen, wie auf Maradona oder Pelé. Den Nagel auf den Kopf getroffen hat wohl einer der erfolgreichsten Trainer der Welt, Sepp Herberger, Schöpfer der deutschen Weltmeisterelf von 1954: „Er ist der vollkommene Spieler, von dem jeder Trainer träumt. Der nimmt im eigenen Strafraum dem Gegner den Ball ab, leitet den eigenen Angriff ein und vollendet ihn mit einem Tor! Was Di Stéfano macht, hat Hand und Fuß. Er beherrscht den Ball, denkt voraus, dirigiert seine Mitspieler, denen er in jeder Hinsicht ein Vorbild ist!“
Statistiken sind nicht alles im Fußball. Doch sie sagen eine Menge aus. Zum Beispiel über die Karriere eines Spieler. Alfredo Di Stéfano, am 4. Juli 1926 in Argentiniens Hauptstadt Buenos Aires geboren, spielte von seinem 15. bis zum 23. Lebensjahr für den Spitzenklub River Plate. Er wurde dort argentinischer Meister und Nationalspieler. Danach zog es ihn für vier Jahre nach Kolumbien, dort trug er das Dress der „Millionarios Bogota“. Wieder wurde er – und das gleich viermal – Meister. Er ließ sich einbürgern und bestritt vier Länderspiele für Kolumbien. Nach vier Jahren, 1953, wagte Di Stéfano den Sprung über den Ozean nach Spanien. Eigentlich sollte er dort für den FC Barcelona spielen. Aber Santiago Bernabéu, der „Patron“ von Real Madrid, hatte den Namen Di Stéfano schon lange auf seiner Liste. Er war schneller und Alfredo setzte bei Real seine Unterschrift unter den Vertrag.
Mit Alfredo Di Stéfano begann die große Zeit von Real Madrid. Es stimmt, nie gewinnt ein einzelner Spieler eine Meisterschaft alleine. Aber ein Spieler kann allein eine Mannschaft inspirieren, sie zum Erfolg mitreißen. So einer ist Di Stéfano. Real war seit 1933 nicht mehr spanischer Meister geworden. Mit Di Stéfano gelang auf Anhieb die glanzvolle Rückkehr auf den spanischen Meisterthron. Dem Titel 1954 folgten mit Di Stéfano weitere sieben. Doch alles überstrahlte die Siegesserie im 1955/56 erstmals ausgespielten Europapokal der Meister. Real gewann 1956 den ersten und gleich die vier folgenden bis 1960, eine in der Geschichte der Europapokale einmalige Serie. Nur drei Spieler waren in allen fünf Endspielen dabei: Zarraga, Gento – und eben der große „Maestro“ am Dirigentenpult – Alfredo Di Stéfano. 624 Spiele bestritt er von 1953 bis 1964 und erzielte 405 Tore für Real.
Als Di Stéfano einmal in eine Formkrise geraten war, wurde Bernabéu von einem Journalisten gefragt, ob der nicht eine Pause verdiente. Da antwortete der Präsident: „Bei Real hat jeder Spieler das Recht, auch mal schlecht zu spielen. Er muss aber erkennen lassen, dass er sich um die bestmögliche Leistung bemüht. Und bei Alfredo habe ich diesen Eindruck immer!“ Auch das spricht sowohl für Di Stéfano wie auch für die Philosophie, die Real zur überragenden Mannschaft machte. Zweimal wurde er zu Europas „Spieler des Jahres“ gewählt: 1957 und 1959. Bei einer Wahl der „Spieler des Jahrhunderts“ kam er 2004 hinter Pelé, Beckenbauer und Cruyff auf Platz vier.
Auch für Spanien bestritt er 31 Länderspiele (mit 23 Toren). An einer WM hat er jedoch nie teilnehmen können: An der Qualifikation für die Turniere 1950 und 1954 beteiligte sich Argentinien nicht, Spanien (seit 1956 war Di Stéfano spanischer Staatsbürger) schaffte die Qualifikation für die WM ’58 nicht und 1962 gehörte er zwar zu Spaniens Kader, konnte jedoch wegen einer Verletzung nicht spielen.
Als Trainer war Di Stéfano nicht ganz so erfolgreich. Immerhin: Den FC Valencia führte er 1971 zur spanischen Meisterschaft und holte 1980 mit diesem Klub auch den Europapokal der Pokalsieger (übrigens mit Rainer Bonhof), mit Real gewann er 1990 den spanischen Supercup (und begann eine radikale Verjüngung der Mannschaft). In Argentinien führte er zwei Klubs zum Titelgewinn: Boca Juniors (1970) und seinen Heimatverein River Plate (1981).
Über allen Erfolgen aber steht der Mensch Alfredo Di Stéfano. Ehrgeizig, selbstbewusst, jedoch nie überheblich, ein „geborener“ Führungsspieler und dennoch mannschaftsdienlich wie kaum ein anderer. Ein im besten Sinne Besessener des Fußballs und Vorbild für viele Generationen. Der 81-Jährige ist heute Ehrenpräsident von Real Madrid und in vielfältiger Form sozial engagiert. Karl-Heinz Heimann
Alfredo Di Stéfano verstarb am 7. Juli 2014 in Madrid.