Geschichte

Fußball und Apartheid in Südafrika

Im vierten Teil thematisiert Dietrich Schulze-Marmeling die Verstrickung des Fußballs und Apartheid in Südafrika.

Sir Stanley Rous, FIFA-Präsident 1961-74

von Dietrich Schulze-Marmeling

Im vierten Teil der Reihe "Fußball in Afrika" geht der Autor Dietrich Schulze-Marmeling den Verstrickungen von Fußball und Apartheid in Südafrika nach: von der Einführung des Fußballs im Jahre 1860 über den Ausschluss aus der FIFA 1976 bis zum Ende der Apartheid 1992.

Einführung des Fußballs in Südafrika

Fußball wurde in Südafrika um 1860 von britischen Siedlern eingeführt, zuerst in den Provinzen der Cape Colony, Port Elizabeth und Kapstadt. In Südafrika stationierte britische Soldaten halfen bei seiner Entwicklung und Verbreitung.

Das erste überlieferte Fußballspiel wurde 1866 in Pietermaritzburg angepfiffen. Dort wurde 1879 auch mit dem Pietermaritzburg County FC der erste Klub aus der Taufe gehoben. 1882 konstituierten drei weitere exklusiv weiße Klubs – Durban Alphas, Umegi Stars und Natal Wasps – die Natal Football Association. Europäische Unternehmer unterstützten die Gründung von Fußballvereinen weißer Arbeiter in Durban und um die Jahrhundertwende auch in Johannesburg und Kapstadt. 

Gründung des ersten nationalen Verbandes

1892 wurde mit der South African Football Association (SAFA) ein nationaler Verband gegründet. Der Verband, in dem zunächst nur Weiße mitwirken durften, gehörte der englischen FA an.

Nach der Gründung der Südafrikanischen Union 1910 wurde die SAFA - später Football Association of South Africa/FASA - eigenständiges Mitglied der FIFA. Doch zum hauptsächlichen Spiel der weißen Bevölkerung wurde Rugby, zumal nach den erfolgreichen internationalen Tourneen des Sprinkbok-Teams 1906 und 1912. Noch heute gilt das Interesse der weißen Bürger Südafrikas in erster Linie dem Springbok-Team.

1951 entstand mit der South African Soccer Federation (SASF) ein Konkurrenzverband, der sich multirassisch gab und über 80 % der südafrikanischen Bevölkerung repräsentierte. Aber die FIFA gab dem Pro-Apartheid-Verband FASA den Vorzug. 1956 wurde die Rassentrennung seitens der Regierung auch offiziell auf den Sport übertragen, wobei die Praxis im Fußball weniger segregationistisch ausfiel.

Südafrika meldete für den ersten African Cup of Nations 1957, wurde aber ausgeschlossen, nachdem die FASA erklärt hatte, sie würde entweder mit einem nur aus weißen oder einem nur aus schwarzen Spielern bestehenden Team teilnehmen, auf keinen Fall aber mit einem „gemischt-rassigen“.


Fußball in den Townships

Da weiße und schwarze Bevölkerung zwar getrennt voneinander, wohl aber in Nachbarschaft zueinander lebten, schwappte das Spiel bald in die Townships hinüber. Mit dem Entstehen einer schwarzen städtischen Arbeiterschaft Mitte des Jahrhunderts wurde der Fußball mehr und mehr zum Spiel der Schwarzen. Insbesondere das Johannesburger Schwarzen-Ghetto Soweto avancierte zum schwarzen Soccer-Mekka.

1959 rief die FASA die National Professional Football League (NPFL) ins Leben, die eine exklusiv weiße Veranstaltung war. 1961 verließen einige Funktionäre und Clubs die dem Amateurprinzip verpflichtete SASF, um mit der South African Soccer League (SASL) eine multirassische Profiliga zu gründen. Die FASA fürchtete um ihre Kontrolle über den südafrikanischen Fußball und kontaktierte die städtischen Verwaltungen, die nun der SASL die Benutzung der Fußballplätze untersagten. Am 6.April 1963 erschienen Tausende von Fußballfans in Johannesburg zu einem Freundschaftsspiel zwischen Moroka Swallows und Blackpool United, trafen aber auf verschlossene Stadiontore. An diesen befand sich eine handschriftliche Notiz, dass das Spiel seitens der Stadtverwaltung abgesetzt sei. Daraufhin überwanden 15.000 die Umzäunung des Stadions, und das Spiel wurde angepfiffen. Moroka Swallows besiegte die englischen Gäste mit 6:1. Doch auf Grund der systematischen Schikanen bei der Platzvergabe konnte die SASL nicht überleben und wurde 1967 aufgelöst.

FIFA-Präsident Rous in der Kritik

Derweil war die FASA 1961 vom Regionalverband CAF ausgeschlossen und 1964 von der FIFA suspendiert worden. FIFA-Präsident Sir Stanley Rous hielt viele Jahre seine schützenden Hände über der FASA. 1963 hatte Rous nach einer Visite in Südafrika erklärt, die Funktionäre des „dissidenten Verbandes“ - gemeint war die SASF - seien „völlig ungeeignet“, den südafrikanischen Fußball zu repräsentieren. Den Vertretern des multirassischen South African Non-Racial Olympic Committee (SANROC) warf er 1968 vor, sie seien „mehr an kommunistischer Politik denn an Fußball interessiert.“ Rous folgte der Argumentation der weißen rassistischen FASA-Funktionäre, der zur Folge ihre schwarzen Gegenspieler ungebildet und kommunistische Agenten seien.

Seine Südafrika-Politik kostete Rous die FIFA-Präsidentschaft. 1972 wollte die suspendierte FASA ein Länderturnier für Amateur-Nationalteams veranstalten und ersuchte diesbezüglich um Erlaubnis durch die FIFA. Rous unterstützte das Vorhaben, doch als ruchbar wurde, dass Südafrika kein multirassisches Teams aufs Feld schicken würde, zogen England, die Bundesrepublik Deutschland und Brasilien zurück. Hinter Brasiliens Rückzug steckte Rous’ brasilianischer Gegenspieler Joao Havelange, der auf dem FIFA-Kongress 1976 gegen den Engländer antrat und mit Hilfe der afrikanischen Delegierten zum neuen FIFA-Boss gewählt wurde. 1976 wurde Südafrika von der FIFA ausgeschlossen.

 
Wiederaufnahme in die FIFA


Nach dem Sturz der Apartheid wurde das Land 1992 erneut in die FIFA aufgenommen. 1994 fusionierten FASA, SASF und zwei weitere vormals unabhängige Verbände zur South African Football Association (SAFA), die seither alle ethnischen Gruppen Südafrikas repräsentiert.


© Dietrich Schulze-Marmeling

 

Die Fortsetzung der Reihe "Fußball in Afrika" folgt am Montag, den 15.03. mit dem neuen Thema "Bafana, Bafana - Südafrikas Fußball-Nationalmannschaft".


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