Robert "Bobby" Charlton (Sir)
† 21.10.2023
Walther Bensemann-Preisträger 2011
Begleittext zur Preisverleihung 2011
„Nun wenn ich auf mein Leben zurückblicke und mich an all das erinnere, was ich einst als Junge im Nordosten Englands von ihm wollte, sehe ich deutlicher als je zuvor: Es ist ein Wunder. Ich sehe ein Privileg nach dem anderen. Und ich wundere mich immer wieder, wie so vieles einem einzigen Mann passieren konnte, nur weil er in der Lage war, das zu tun, was ihm so leicht und natürlich fiel. Und von dem er von Beginn an wusste, dass er es mehr liebte als alles andere. […] Die Wahrheit ist, dass mir, obwohl ich hart an meinen Gaben arbeitete, mein Lebensweg wie ein geschenktes Wunder vorkommt. Weshalb, das kann ich nicht erklären. Aber 1958 in München musste ich auch lernen, dass Wunder ihren Preis haben.“
Die Privilegien, von denen Bobby Charlton im Prolog seiner Autobiografie „My Manchester United Years“ spricht, an dieser Stelle aufzuzählen, würde den Rahmen sprengen. Als Fußballer spielte er 19 Jahre lang für ManUnited, absolvierte 758 Spiele und traf 249 Mal ins Schwarze. Für Englands Nationalteam lief er 106 Mal auf, seine 49 Tore dort bedeuten bis zum heutigen Tag Rekord. Charlton wurde mehrmals englischer Meister, gewann den Europapokal der Landesmeister 1968, triumphierte bei der WM 1966 auf heimischen Boden, wurde im selben Jahr Europas Fußballer des Jahres, nahm an insgesamt vier Weltmeisterschaften teil. Als Teil der United Trinity (die er mit seinen Teamkollegen Dennis Law und George Best bildete), ist ihm vor den Toren „Old Traffords“, seiner alten Wirkungsstätte bereits zu Lebzeiten ein Denkmal gesetzt worden. Sein Portrait fand Eingang in die Hallen der National Portrait Gallery in London. Aus den Händen von Königin Elizabeth der II. empfing er mehrere Orden und schließlich, 1994, auch die Ritterwürde als erster Fußballer seit dem legendären Sir Stanley Matthews.
Als Jugendlicher schaute er zu seinem großen Idol Alfredo Di Stéfano auf, in den sechziger Jahren reifte er zu einem der besten Fußballer Europas und erst 1980 trat er als Aktiver zurück. Das eigentliche Wunder seines Lebens stand jedoch fast am Anfang seiner Karriere. Es war der 6. Februar 1958, Flughafen München-Riem. Die Maschine, die Manchesters hoffnungsvolle junge Mannschaft, nach ihrem Trainer die ‚Busby Babes‘ genannt, gemeinsam mit einigen Anhängern und Journalisten zurück nach England fliegen sollte, verunglückte nach einem dritten vergeblichen Startversuch. Acht Teamkollegen starben, insgesamt forderte der Unfall 23 Todesopfer. Der 20-jährige Charlton zählte zu den Überlebenden. Es war der Beginn der Legende um Bobby Charlton. Als unbeschwerter junger Mann war er nach Belgrad aufgebrochen, als Erwachsener nach England zurückgekehrt.
Um Charlton und den legendären Manager Sir Matt Busby entstand mit den Jahren eine neue große Manchester-Mannschaft. Stars wie der Nordire George Best, Norbert Stiles, Tony Dunne und viele andere spielten im Verbund mit Charlton, dem Mann mit der Nummer neun auf dem Rücken, groß auf. Pokalsiege und Meisterfeiern, ja auch der Weltmeistertitel gegen Deutschland im Finale 1966 waren der Lohn für den gelungenen Wiederaufbau. Erst 1968 aber sollte sich der Kreis schließen und die Geschichte zur Vollendung kommen.
United gewann das Finale im Landesmeister-Cup gegen Benfica Lissabon in einer hochemotionalen Nacht im Londoner Wembley-Stadion. 4:1 hieß es nach Spielende und als Kapitän hatte Charlton dabei zweimal getroffen. Nach dem Schlusspfiff, so beschrieb er es, war er einfach nur erschöpft. Es war geschafft – knapp zehn Jahre nach dem Desaster von München waren Busby, Charlton und ManUnited endlich angekommen. Bobby Charlton feierte nicht wie seine Teamkollegen auf dem Rasen, er zog sich in die Kabine zurück und trank ein Bier. Später soll er in seinem Hotelzimmer geweint haben. Er behielt diesen Tag als „schönsten meines Lebens“ in Erinnerung.
Bei der Weltmeisterschaft 1970 in Mexiko gaben sich England und Charlton nur knapp und nach Verlängerung der deutschen Elf geschlagen. Es war gleichzeitig das Ende seiner Länderspielkarriere, 1973 war dann auch bei Manchester Schluss. Die letzten Spielerstationen führten in noch zu Preston North End, und ins Ausland. Charlton versuchte sich als Manager und zog schließlich 1984 in das Aufsichtsgremium von Manchester United ein. Von dort aus nimmt er bis heute Anteil am Schicksal seines Herzensklubs. Charlton widmete sich immer mehr auch karitativen und sozialen Vorhaben, unter anderem engagierte er sich gegen den Einsatz von Landminen. Er blieb auch nach seiner Spielerlaufbahn in seinem Auftreten höflich und bescheiden – den Platz in der ersten Reihe hatte er schon früher stets anderen überlassen.
Dafür erntete er zwar nicht die fanatische Verehrung anderer Stars von gestern und heute, dafür aber etwas von echter Dauer: ernsthafte Bewunderung für den Fußballer und den Menschen Sir Robert „Bobby“ Charlton.