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Platz 10 Fußballbuch 2012

neunzehn87

Der Triumphzug des 1. FC Lok Leipzig durch Europa (2011/2012)
Platz 10  Fußballbuch des Jahres 2012 
Connewitzer Verlagsbuchhandlung
26,00 Euro

Rezension: neunzehn87

Philipp Köster

Die Geschichte des DDR-Fußballs wird von wirkungsmächtigen Klischees bestimmt. Vom Schiebermeister BFC Dynamo, von Lokomotive und Dynamo, vom rebellischen FC Union und vom Sparwasser'schen Führungstor im Hamburger Volksparkstadion. Mithin ist schon jede Publikation verdienstvoll, die nicht die gängigen Stereotype wiederkäut, zu denen im Übrigen auch gehört, dass der ostdeutsche Fußball sich im internationalen Vergleich auf Zweitliga-Niveau eingependelt habe. Der Leipziger Autor Thomas Franke hat diesbezüglich schon eine Menge Überzeugungsarbeit geleistet, in dem er gemeinsam mit Co-Autor Veit Pätzug die Geschichte der Fans der beiden Traditionsklubs Dynamo Dresden und Lok Leipzig erzählte, jeweils unterfüttert mit einer schier unglaublichen Zahl an zeitgenössischen Dokumenten, Fotografien und Erinnerungen.

Nun hat sich Franke, gemeinsam mit Marko Hofmann, einer besonderen Spielzeit gewidmet. In der Saison 1986/87 marschierte Lok Leipzig rauschhaft durch den Europapokal der Pokalsieger. Wien, Sion, Belfast konnten Lok nicht stoppen, so dass im Halbfinale der französische Renommierklub Girondins Bordeaux als Gegner wartete. Das Hinspiel gewann Lok überraschend mit 1:0, das Rückspiel wurde dann zum heimlichen Höhepunkt der DDR-Fußballgeschichte. Nichts gegen den Vorrunden-Sieg 1974, nichts gegen die Magdeburger Helden in weißen Bademänteln, nichts auch gegen das anschließende Finale der Leipziger in Athen – aber dieses Duell trug epische Züge. Schon weil sich im Zentralstadion über 100.000 Menschen drängten – die Ordner an den Stadiontoren hatten irgendwann kapituliert. Die Massen erlebten ein Ringen um jeden Meter, Lok war früh in Rückstand geraten und rettete sich schließlich ins Elfmeterschießen. Dort wurde Leipzigs Keeper René Müller zum umjubelten Helden. Er hielt einen Elfer, trat schließlich zum letzten Strafstoß selber an, und versenkte ihn kaltschnäuzig. Ein selten gehörter Sturm der Begeisterung brauste durchs Zentralstadion, binnen Sekunden verschwand Müller in einer Jubeltraube.

Franke und Hofmann beschreiben den Leipziger Siegeszug durch Europa, der erst im Finale von Ajax Amsterdam gestoppt wurde, mit Tempo, Sprachwitz, Akribie und jenem wachen Blick für unterhaltsame Details, den nur langjährige Anhänger besitzen. Was wiederum ein Schlaglicht auf den Umstand wirft, dass viel zu wenige solcher Bücher existieren, in denen sich Leidenschaft und Sachverstand paaren. Dieses Buch ist eine Ausnahme.

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