Männer im Abseits
Übers. von Herta Soswinski (2018/2019)Rezension: Männer im Abseits
Maren ZimmermannJa, es ist mir bewusst, dass eine Frauenfußball-WM stattfand und dass in diesem Jahr ein deutscher Trainer mit einer englischen Mannschaft die Champions League gewonnen hat. Ich sehe auch die vielen politischen und sozialen Fragen rund um den Fußball, die sich lohnen, erörtert zu werden. Außerdem bin ich mir sicher, dass ein fußballtaktisches Buch für viele Praktiker enorm wichtig sein kann. Trotzdem habe ich mein Herz an einen fast vergessenen Autor und seinen 2019 neu aufgelegten Roman verloren.
Wobei ich zugeben muss, dass ich beim Durchforsten der Neuerscheinungen diesen Titel relativ lange ignoriert habe: „Männer im Abseits“. Meine vorurteilsbeladene Assoziationskette gaukelte mir den selbstmitleidigen Text eines hellhäutigen älteren Herren vor, der den Untergang der Bundesliga spätestens im Jahr 2025 erahnt, weil inzwischen ab und zu auch Frauenfußball im Deutschen Fernsehen zu sehen ist (oder aus einem ähnlich - beliebig einsetzbaren - abstrusen Grund).
Doch Karel Poláčeks Roman stammt aus dem Jahr 1931. Sein Protagonist Emanuel Habasko, arbeits- und mittellos, ist ein glühender Anhänger von Viktoria Žižko. Emanuel lernt seinen neuen Arbeitgeber, einen ebenso fanatischen Anhänger von Slavia Prag, während eines Derbys im Stadion kennen. Nachdem sie wegen Handgreiflichkeiten abgeführt werden, bietet der Slavia-Fan ihm noch auf der Wache eine Stelle an – damit er sich endlich in seinem Bekleidungsgeschäft ernsthaft über Fußball austauschen kann. Aus lauter Dankbarkeit macht Emanuel aus dessen Kindern heimliche Viktoria-Fans. Auch seine Verlobte, die zum Zeitpunkt des Kennenlernens mit Fußball noch gar nichts am Hut hatte, kann es verbal bald mit jedem gegnerischen Fan im Stadion aufnehmen. Wobei die Dialoge zum Teil direkt aus einer heutigen Stammtischrunde stammen könnten. Etwa wenn der Sohn dem Vater erklärt: „Heute spielen wir wissenschaftlichen Fußball“ oder man sich einig ist in dem Untergangsszenario, dass es bald keinen echten Fußball mehr zu sehen gibt, weil die zunehmende Professionalisierung alles zerstöre. Ja genau, schon vor fast einhundert Jahren war das Ende des wahren Fußballs vorhersehbar.
Wenn man sich von der für unsere heutigen Ohren durchaus etwas altmodischen Sprache nicht einlullen lässt, kann man ein literarisches Kleinod neu entdecken, einen Schelmenroman und eine äußerst humorvolle Beschreibung des Lebens der sogenannten einfachen Leute im Prag der 1930er Jahre mit vielen wunderbar verschrobenen Charakteren.
Karel Poláček wurde 1939 wegen seiner jüdischen Abstammung mit einem Berufsverbot belegt und starb vermutlich 1945 in einem Nebenlager des KZ Auschwitz. Es war eine wunderbare Idee des Mitteldeutschen Verlages, diesen Roman mit einer Neuauflage dem Vergessen zu entreißen. Keine Neuübersetzung in Auftrag zu geben, sondern auf die zeitgenössische Arbeit von Herta Sowinski zurückzugreifen, war eine ebenso gute Entscheidung. Da es sich aber um weit mehr als ein wichtiges Zeitdokument handelt, sondern eben auch um eine vergnügliche und fesselnde Lektüre, ist „Männer im Abseits“ für mich Fußballkultur vom Feinsten und allemal preiswürdig.