NominiertFußballbuch 2019

Konfetti im Bier

Roman (2018/2019)
Nominiert zum  Fußballbuch des Jahres 2019 
Liesmich
Verlagsinfo liesmich-verlag.de
14,95 Euro
978-3-945491-06-5
Buchcover Konfetti im Bier - Roman von Toni Gottschalk

Rezension: "Konfetti im Bier"

Nicole Selmer
von Nicole Selmer

Es geht langsam los bei "Konfetti im Bier", und das ist auch gut so, denn zu Beginn des Romans ist es noch ganz schön früh. Ein voller Tag, der in der Dämmerung beginnt, steht den Protagonisten bevor, Nazis wollen blockiert, ein kleines Derby begleitet und viel Ultrakultur muss erklärt werden. Wir sind in Hamburg, wir sind auf Sankt Pauli, und es ist Spieltag.

Toni Gottschalk nimmt die Leser*innen vor allem im ersten Teil seines Buchs bei der Hand und führt sie durch die Szenerie, die er ausbreitet: Er präsentiert Spieltagsrituale, Gruppendynamiken und die verschiedenen Charaktere. Wir lernen den Klassenkasper Marco und den Sprayer Subbe kennen, Jette, die sich von der Szene langsam distanziert, und Lutz, dem Bier und Fußball näher sind als Politik und Pyro. Die "Acker-Demiker", die beim Boxen Nietzsche zitieren, und der Vorsänger aus Sachsen, der von Fußball nicht so richtig was versteht, aber alle mitreißen kann. Die Alten und die Jungen, diejenigen, die sich gerne schlagen und die, die Ärger lieber aus dem Weg gehen, die, die schnacken, und die, die anpacken.

In Italien ist das Genre der Ultraliteratur ein schon fast etabliertes Genre, zumindest gibt es bereits einige Romane aus der Szene und über die Szene. In Deutschland fehlen sie bislang. "Konfetti im Bier" führt in die Ultraszene des FC St. Pauli, der der Autor selbst angehört. Das Schreiben über Subkulturen aus einer Subkultur heraus ist nicht einfach. Auf der einen Seite das Risiko, die, um die es geht, vor den Kopf zu stoßen. Auf der anderen die Gefahr, alle anderen zu langweilen. Ob "Konfetti im Bier" ein Schlüsselroman ist, darüber darf sich die Szene den Kopf zerbrechen, für die Leser*innen ist das egal. Nicht verschlüsselt ist Hamburg, sind Straßen, Bäckereien und freie Radiosender. Wer sich weder für Hamburg, noch für den FC St. Pauli, Fußball und Fans interessiert, wird auch an diesem Buch keine Freude haben. Wer sich schon öfter gefragt hat, was das eigentlich für Leute sind, die da 90 Minuten lang hüpfen, singen, Fackeln abbrennen, Fahnen schwingen und sich mit der Polizei anlegen, bekommt hier einen kleinen Einblick. In den Gesprächen und Aktionen zwischen kleinem Derby, Auswärtsfahrt nach Dresden und Hoppen bei den Freunden in Genua werden die relevanten Themen durchdekliniert: Fußball und Politik, Drogen und Gewalt, Liebe und Sneakers. Wer macht die Drecksarbeit, wer erntet die Anerkennung? Wer gehört dazu, wer nicht? Wer will raus, wer will ein anderes Leben ohne den Fußball und die Gruppe, und wer steckt hier fest? Toni Gottschalk lässt seine Protagonist*innen das alles mit einer schönen Mischung aus Schwere und Leichtigkeit erleben und besprechen – eine Mischung, von der man auch dem Fußball und Fans außerhalb des Romans mehr wünschen würde.

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