Platz 5Fußballbuch 2007

Hugo Meisl oder:

Die Erfindung des modernen Fußballs (2006/2007)
Platz 5  Fußballbuch des Jahres 2007 
Buchcover Hugo Meisl oder: - Die Erfindung des modernen Fußballs von Andreas Hafer

Rezension zu: Hugo Meisl oder die Erfindung des modernen Fußballs

Jürgen Kaube

Hugo, wer? Man hat ihn weitgehend vergessen, einen der umtriebigsten Gründer des europäischen Fußballs. Hugo Meisl, Sohn eines böhmischen Textilfabrikanten, war Spieler, Schiedsrichter, Trainer, Manager, Fußballjournalist und Funktionär. Er führte die Auswahl Österreichs durch die einzige international erfolgreiche Periode, die sie je erlebte, zwischen 1919 und den Dreißiger Jahren. Meisl setzte in seinem Land den Profifußball und die erste Profiliga des Kontinents ebenso durch wie den Mitropa-Cup, den ersten europäischen Vereinswettbewerb. Es war die Zeit, in der aber nicht nur die organisatorischen Strukturen des modernen Fußballs entstanden. Die neue Abseitsregel von 1925 - schon zwei und nicht erst drei Spieler zwischen dem Angespielten und der Torlinie heben das Abseits auf - bildete den Hintergrund für die Einführung des Vorstoppers. Die Null sollte stehen, so dachte man in England. Meisl, aufgewachsen mit dem Wiener Kurzpaßspiel, dachte anders: Für das "WM-System" (2-3-5) brauchte man physisch ungeheuer starke und harte Spieler, und die hatte er nicht. Also kultivierte er das Kombinieren und versuchte zugleich, seinen Stürmern das allzu "weiche" Spiel abzugewöhnen. Hätte die WM 1934 nicht in Italien und mit Schiedsrichtern stattgefunden, die nach Mussolinis Pfeife pfiffen, wäre Meisls Mannschaft damit wohl Weltmeister geworden. Zidanes Melancholie, o.k. - aber was ist sie gegen die Traurigkeit, mit der Österreichs Fußball unterging!

Die Biographie des 1937 verstorbenen Meisl, die seine Enkel, Andreas und Wolfgang Hafer, geschrieben haben, ist eine fußballhistorische Leistung ersten Ranges. Sie zeigt in tausend Details, wie sich der Fußball jener Jahre zwischen städtischer Kultur, nationaler Erregung und europäischem Vergleich entwickelt. Der Funktionär, der von seinem Beruf aufgezehrt wird, der Diplomat, der ständig Tumulte zwischen den Verbänden glätten muß, der Bürger jüdischer Konfession, dem eben dies zu sein immer wieder vorgehalten wird, der Trainer des "Wunderteams" um Matthias Sindelar - in einer der komplettesten Figuren des europäischen Fußballs zeigt sich hier Kulturgeschichte: glänzend recherchiert, umfassend dokumentiert und ebenso sachlich wie fesselnd aufgeschrieben.

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