"Der König aller Sports"
Walther Bensemanns Fußball-Glossen (2007/2008)Rezension zu: Der König aller Sports
Jürgen KaubeWas für Zeiten, als Sport noch einen Plural hatte. Und was waren es für Zeiten, als der Fußball noch nicht der von Intellektuellen wiederentdeckte Hang zum Populären war. Walter Bensemann – man muß den Gründer des "Kicker" in diesem Zusammenhang nicht vorstellen – entdeckte nichts wieder, er entdeckte originär.
Fußball, das war für ihn, der den Sport an der Schule kennengelernt hatte, später selber Lehrer war und auch ein wenig so schrieb, ein Spiel, das es vermochte, Arbeiter von den Wirtshäusern fernzuhalten. Er konnte sich vorstellen, daß es Fußball ohne absichtliche Fouls gibt. Auf dem Platz war für ihn die Gesellschaft, so glaubte er in England, wo er zeitweilig lebte, zu erkennen, kein Klassenkampf mehr. Das Wort "ethisch" fällt in seinen Artikeln, Fußball ist hier auch immer eine Einstellung. Wir sind in der Epoche zwischen 1910 und 1933, in der die Völkerverständigungsideale sich auch an den Sport hefteten, weil dieser gerade dabei war, sich weltweit auszubreiten.
Was für ein honoriger Irrtum! Bensemann schreibt über Länderspiele und anschließende Besäufnisse, über den lateinamerikanischen Fußballstil, dem man ansehe, daß die Leute den Fußball liebten, und über die Wiener Kultur, beim Spiel die Knochen und manchmal auch die Muskeln zu schonen. Eigentlich schreibt er über Fußball, als wäre es Cricket, als sollte es jedenfalls so viel wie möglich von Cricket haben. Dem folgt sein leicht feuerzangenbowlenhafter Ton bürgerlichen Genießertums.
Die schönste Wendung hat der Kollege Hieber in seiner Rezension des Bandes herausgezogen: „Lieblich fluten Hering und Sardine in dem Lethestrom vierzigprozentigen Aquavits". Wer es also gern schnörkellos hat, wird hier nicht bedient. Für alle anderen hat der Herausgeber und Bensemann-Biograph, Bernd-M. Beyer, unter den Hunderten von Beiträgen Bensemanns aus dem "Kicker" sehr klug ausgewählt: Man hält eine echte Charakteristik in Händen, ein Dokument nicht nur einer bewegenden Zeit von Anfängen, aus denen nichts wurde, einer "lost cause", sondern auch einer noblen Person.