NominiertFußballbuch 2019

Ausgespielt?

Die Krise des deutschen Fußballs (2018/2019)
Nominiert zum  Fußballbuch des Jahres 2019 
Buchcover Ausgespielt? - Die Krise des deutschen Fußballs von Dietrich Schulze-Marmeling

Rezension: Ausgespielt?

Jörn Petersen / kicker
von Jörn Petersen

Wer flog gegen Schweden noch mal vom Platz? Das deutsche WM-Debakel in Russland ist schon wieder über ein Jahr her, doch das sollte wirklich niemanden davon abhalten, Dietrich Schulze-Marmelings Buch "Ausgespielt? Die Krise des deutschen Fußballs" in die Hand zu nehmen.

Schulze-Marmeling, diesem nimmermüden Fußballautoren, ist eine nüchterne Bestandsaufnahme des deutschen Fußballs gelungen, die weit über Joachim Löws leeren Blick und Marco Reus’ hängendes Haupt auf dem Buchcover hinausgeht und die den Blick mit jedem Kapitel weitet: Von den Versäumnissen vor und während der WM führt sie über eine schonungslose Einschätzung der Bundesliga-Qualität hin zur hiesigen Nachwuchs-Ausbildung und dahinterliegenden gesellschaftlichen Strukturen.

Man nickt dankbar, wenn der Autor kenntnisreich mit populistischen Thesen, ob von Fans oder Uli Hoeneß, aufräumt, mit Sprüchen à la "Der Ballbesitzfußball ist tot"; wenn er erklärt, warum Joachim Löw oder Mesut Özil zu Sündenböcken wurden, aber nicht als solche taugen; wenn er die schlichten, hysterischen Analysen, die so viele Hobby-Bundestrainer hierzulande pflegen, konsequent verweigert.

Der stärkste und immerhin 85 Seiten starke Part dieses Werks widmet sich jedoch der Basis, dem kickenden Nachwuchs: Leidenschaftlich und tiefgründig plädiert Schulze-Marmeling für eine Reform mit "ein bisschen weniger Plan, ein bisschen mehr Kreativität, Spontanität und Improvisation" und stützt sich dabei nicht nur auf das, was ihm Experten wie Norbert Elgert oder Peter Hyballa berichten, sondern auch auf einen eigenen Erfahrungsschatz als Jugendtrainer.

Hier beginnt man zu verstehen, woran der deutsche Fußball krankt und vielleicht irgendwo die ganze Gesellschaft. Jugendtrainer, die auf Ergebnis statt Entwicklung setzen, Eltern, die sich hemmungslos über ihren Nachwuchs profilieren, und Kinder, die immer früher immer erfolgreicher sein müssen und in ihrer kreativen Entfaltung gebremst werden: Wen kümmert da noch Jérôme Boatengs Platzverweis gegen Schweden?

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