César Luis Menotti

Walther Bensemann-Preisträger 2009

Ehrenmitglied
Auszeichnungen

Begleittext zur Preisverleihung 2009

Eine mutige Geste machte César Luis Menotti weltberühmt – im Augenblick seines größten sportlichen Triumphs, dem Gewinn der Weltmeisterschaft 1978 im eigenen Land, Argentinien, verweigerte er bei der Siegerehrung dem amtierenden Staatsoberhaupt, Junta-General Jorge Rafael Videla, öffentlich den Handschlag. Mehr noch als die entscheidenden Tore von Mario Kempes blieb der (Fußball-)Welt dieser Moment in Erinnerung.

Menotti, die wenigsten wissen es, war nicht nur ein großer Trainer. Der 1938 geborene Arztsohn aus Rosario, einer Provinzhauptstadt am Parana-Fluß, war auch ein talentierter Spieler. Mit den Boca Juniors feierte er eine argentinische Meisterschaft, an der Seite des großen Pelé triumphierte er 1968 beim legendären FC Santos. Seine eigentliche Karriere begann aber, als der gelernte Stürmer auf der Trainerbank Platz nahm. Hier strickte Menotti, der aufgrund seiner hageren Gestalt „El Flaco“, der Dünne, genannt wurde, schon bald an seiner Legende. Der Club Atlético Huracán, Menottis erste wichtige Trainerstation, war ein chronisch erfolgloser Traditionsverein aus Buenos Aires. Im typischen Menotti-Stil stürmte die Mannschaft 1973 wie ein Wirbelwind zur Meisterschaft: offensiv, leidenschaftlich, kreativ. Im Team fanden sich so illustre Namen wie Alfio Basile (der spätere Nationaltrainer), Mittelfeldantreiber Miguel Brindisi und der 78er Weltmeister René Houseman. Menottis Handschrift machte sofort Eindruck. Schon ein Jahr später, 1974, war der damals noch junge Trainer bereits für die „Albiceleste“, Argentiniens Nationalelf, zuständig und blieb dies bis 1982. Trotz des Mitwirkens von Superstar Diego Maradona, den Menotti unter großem Protest der Öffentlichkeit und der Obrigkeit 1978 noch unberücksichtigt ließ, kam Argentinien nicht über die Zwischenrunde der Weltmeisterschaft in Spanien hinaus.

„Meine talentierten, klugen Spieler haben die Diktatur der Taktik und den Terror der Systeme besiegt“, formulierte Menotti seinen Protest gegen das skrupellose Militär-Regime am Rio de la Plata nach dem gewonnenen WM-Finale 1978 gegen die Niederlande. Menotti bezog Position, polarisierte. Die Art, Fußball zu spielen, war für ihn immer auch ein politisch-gesellschaftliches Statement. Wie kaum ein anderer sprach er dabei den Fußball-Romantikern aus dem Herzen und prägte das Bild vom schönen, guten und wahren Fußball – im Gegensatz etwa zum defensiv-nüchternen Spielverständnis seines Landsmanns und großen Trainer-Antipoden Carlos Bilardo.

Menotti nutzte seine Trainerstationen als großes Podium für seine Ideen. In seiner bis zum heutigen Tag andauernden Trainer- und Managerkarriere lenkte er die sportlichen Geschicke bedeutender Klubs, darunter die spanischen Granden FC Barcelona (wo er auf Udo Lattek folgte) und Atlético Madrid oder in Italien Sampdoria Genua. In Argentinien verantwortete er von der Bank aus das Geschick gleich beider Groß-Klubs und Erzrivalen, River Plate und Boca Juniors – eigentlich ein Sakrileg...

Die Spielweise seiner Teams sollte dabei stets Ausdruck einer engagierten und libertären Weltsicht sein. So wie er auf dem Platz Kreativität und Angriffslust einforderte, trat er öffentlich als intellektueller Bonvivant und Apologet einer umfassenden Fußballphilosophie auf. Davon zeugen auch Menottis Bücher „Como Ganamos La Copa Del Mundo“ (1978, „Wie wir die WM gewannen“) und „Fútbol Sin Trampa“ (1986, etwa: „Fußball ohne Schmu“).

Für den Fußballsport, damals noch viel weniger im Blick kommerzieller Interessen, postulierte Menotti ein mutiges und kreatives Spielkonzept und wurde zum erbitterten Gegner des rein erfolgsorientierten System-Fußballs. César Luis Menotti wollte auf dem Rasen das Abenteuer, die Spielfreude, eine archaische Lust am Spiel sehen. Seine klaren Positionen gegen all die Zweck- und Gesetzmäßigkeiten des Ergebnisfußballs machten ihn zum bewunderten Vordenker einer schönen, idealen (Fußball-)Welt. Dass ihm diese konsequente Haltung nicht nur Freunde schaffte, nahm er stets gelassen in Kauf.

Bis zum heutigen Tag ist Menotti ein gefragter Interviewpartner. Immer sieht er dabei den Fußball als Spiegel gesellschaftlicher Verhältnisse und wird nicht müde, den Finger in die politischen und sozialen Wunden seiner Heimat Argentinien oder der globalen Entwicklung zu legen. César Luis Menotti ist als Fußballcoach eine Legende. Sein Verdienst ist es aber auch, das weltweit populärste Spiel ästhetisch, philosophisch und aus sozialen Blickwinkeln erschlossen zu haben – für Spieler, Fans und Zuschauer in aller Welt. Rainer Holzschuh

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