Platz 11Fußballbuch 2009

Zeiglers wunderbare Welt des Fussballs

1111 Kicker - Weisheiten, hochsterilisiert von Arnd Zeigler (2008/2009)
Platz 11  Fußballbuch des Jahres 2009 
Arnd Zeigler
Humboldt
9,90 Euro
Buchcover Zeiglers wunderbare Welt des Fussballs - 1111 Kicker - Weisheiten, hochsterilisiert von Arnd Zeigler von Arnd Zeigler

Rezension zu: Zeiglers wunderbare Welt des Fußballs

Stefan Erhardt

„Fußball ist am schönsten, wenn er unbegreiflich ist“ Arnd Zeigler is on a mission – sein Auftrag: Den Fußball begreiflich zu machen. Klingt einfach, ist es aber nicht. Arnd Zeigler ist kein Forscher, kein Historiker, kein Taktiker, kein Theoretiker, kein Philosoph, kein Psychologe, kein Exeget in Sachen Fußball. Arnd Zeigler ist ein Fan, ein Sammler, ein Satiriker, ein Liebhaber, ein – ja, unbedingt auch: ein Verrückter, ein Vernarrter, ein Spieler, ein Kind. Trotz seiner 44 Jahre.

„Kunstrasenstreichler“ betitelte ihn vor einigen Monaten die taz. Das klingt wie „Pferdeflüsterer“ – und ist er das nicht auch auf seinem Gebiet, einer, der besonders gut über den Fußball kommunizieren kann, ein „Fußballflüsterer“?

Zeigler sammelt – seit vielen Jahren jetzt schon, Abwegiges, Abseitiges, Abartiges, Vergessenes, Verlorenes, Verworfenes, Komisches, Kurioses und Kariöses aus den bunten Regenbogenwelten des Fußballs. Seine Sammelsurien sind Fundgruben für alle, die mehr als nur Fahnen schwenken und Schlachtgesänge anstimmen oder die Stecktabelle stecken wollen. In der scheinbaren Zufälligkeit und Disparatheit seiner Fundstücke offenbart sich mit der Geballtheit von „1000 ganz legale Fußballtricks“ oder in dem hier zu preisenden „1111 Kicker-Weisheiten“ tatsächlich ein Panorama ebenso ab- wie unartiger Tiefgründigkeit, das sich in seiner wohlabgewogenen Selektion allen humorfähigen, tellerrandüberblickenden Ballliebhabern erschließt.

Seine Methode: Er stellt liebevoll bloß – mit Bildern, Bildchen, Anzeigen, Zeitungsschnipseln, Fotos, Werbeträgern, Fan-Insignien, Vereinsmerchandise, TV-Schnappschüssen oder Briefmarken – und kommentiert (im Frontal-Jargon würde hier das Wort „schonungslos“ fallen) die erdabgewandte Seite des Fußballgeschäfts. Das tut er mit dem geschriebenen wie mit dem gesprochenen Wort – seine Sendung „Zeiglers wunderbare Welt des Fußballs“ ist die TVgewordene Live-Verkörperung seiner zwischen Buchdeckeln gepressten Ballanziehungskraft, oder, im Neondeutschexplosiv-Jargon, „Kult“.

Den augenzwinkernd vorgebrachten Vorwurf der Subversivität weist er allerdings weit von sich, wie er in einem Interview vor knapp zwei Jahren erklärte: „Ich untergrabe nicht, ich grabe um!“ Um dem gleich eine Definition seiner Arbeitsweise folgen zu lassen: „Ich schaue nach, welche Details medial im Vordergrund stehen und hochgejazzt werden, und gucke dann links und rechts haarscharf dran vorbei um herauszufinden, ob knapp neben dem Fokus nicht Dinge zu erhaschen sind, die im Grunde interessanter sind als die von Boulevardpresse und Fernsehen zu „Hauptsachen“ erklärten Stars, Teams oder Phänomene.“ (DER TÖDLICHE PASS Heft 48 / November 2007).

Was treibt den „Fußballmessie“ und „Fußballfreak“ (so Daniel Bouhs in der taz) an? Es ist jene Krankheit, die schon Joachim Ringelnatz in seinem Gedicht anprangerte – der Fußballwahn. Des Befallenen Erklärung möge dazu beitragen, den „Zeiglerschen Fußballwahn“ klassifizierend in die Medizingeschichte einzubringen: Der Fußballwahnsinn sei „die freudvollste Form des Fußball-Erlebens“ – wenn der Fußball „rational nicht zu fassen ist, nicht zu erklären, wenn Analysen fehlschlagen und wenn man mit offenem Mund Dinge sieht, die man vorher vernunftsmäßig für unmöglich gehalten hatte.“

Seit einigen Jahren hilft uns Zeigler nun schon, dass wir mit offenem Mund 'unseren' Fußball sehen, uns trotz allen Ernstes immer wieder das Heitere (durchaus im Schillerschen Sinne) erkennen und genießen können. Insofern möchte ich diesen Preis (so er ihn denn erhält) nicht nur als Preis für das beste Fußballbuch 2009 verstanden wissen, sondern auch für sein – nein, nicht Lebenswerk, aber zumindest sein „Lebensabschnittswerk“. Welches, wir würden es uns alle wünschen, vielleicht ja auch einmal über die Grenzen WerDeR Bremens hinaus Verbreitung und Anerkennung finden mag. Bis dahin blättern wir genussvoll in seiner wunderbaren Buch-Welt, die unser aller Leidenschaft zum Spiel unterfüttert. Eine Leidenschaft, die Zeiglers kategorischer Indikativ treffsicher auf den ominösen Punkt bringt: „Fußball ist dann am schönsten, wenn er unbegreiflich ist.“

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