Platz 11Fußballbuch 2012

Sprache und Fußball im Blickpunkt linguistischer Forschung

(2011/2012)
Platz 11  Fußballbuch des Jahres 2012 
Buchcover Sprache und Fußball im Blickpunkt 
linguistischer Forschung -  von Janusz Taborek

Rezension: Sprache und Fußball im Blickpunkt linguistischer Forschung

Hans Böller

Es begann irgendwann im Frühjahr, breitete sich aus – und spätestens zur Europameisterschaft im Sommer waren Fußballspiele keine Spiele mehr. Sondern Duelle. Ob Süddeutsche oder FAZ oder die Nachrichtenagenturen: Ständig standen Mannschaften vor Duellen, erwartete man das spektakuläre Duell X gegen Y und entwarf man Strategien für ein besonderes Duell. Bis zurück in die Kriegsmetaphorik entwickelte sich die Angelegenheit nicht weiter, aber das so schiefe wie unschöne Bild lebt bis heute fort.

Solche Sprachmoden, wenn man sie denn so nennen mag, entwickelt die Sportberichterstattung ständig. Worte und Wendungen schaffen den Durchbruch, ein Segen ist das nicht immer, manches verschwindet wieder – wie der Ball als Spielgerät oder die Begegnung auf Augenhöhe. Und wenn die Schiedsrichterei ein Monstrum erfindet wie das Wort Rudelbildung, gibt es tatsächlich Medien, die Sätze wie diesen schreiben: Es kam zu einer Rudelbildung – es ist erschreckend und scheußlich, aber das Auflaufkind ist trotzdem sogar lexikalisiert worden.

Drei polnische Linguisten haben sich nun um die Ursachenforschung sehr verdient gemacht. Das Buch ist wie jedes wissenschaftliche Werk in übersichtlicher Auflage relativ teuer, aber auch hochinteressant, kurzweilig, sogar vergnüglich. Man lernt viel über die Anfänge der Fußballsprache der Frühzeit, über metaphorische Blüten und witzige Wendungen, und über die Weiterentwicklung: das – glücklicherweise – Aussterben der Bomben und Granaten (wiederum wundert man sich dann, dass auch im Jahr 2012, auch in Polen und der Ukraine, angeblich noch immer Truppen um jeden Meter Boden kämpften). Mit dem Spiel, mit dessen Wahrnehmung, verändert sich die Sprache, die – auch ein schönes Kapitel – ohne Anglizismen nicht auskommt, die Fußballsprache kam wie der Fußball aus England, die Fremdworte Goal und Corner haben sich in Teilen des deutschen Sprachraums immer noch gehalten. Und die flache Vier? Ein klassischer Anglizismus aus flat back four.

Die Lektüre dieses Buches sensibilisiert für den Umgang mit der Sprache und wirft interessante Blicke auf eine ganz neue Form der Ausdrucksweise: auf die so genannten Foren, in denen geschmäht und beleidigt wird, anonym, manchmal grenzdebil in der Ausdrucksweise, und dass, wo die Sprache verroht, auch Sitten verrohen, erschließt sich dann. Denn wie Fußballsprache Aufnahme in den allgemeinen Sprachgebrauch findet, belegen die Germanisten ebenso – der scheinbar leicht verständliche Fußball liefert dann selbst eine Metaphorik (nicht nur für Politiker). Für beträchtlichen Gewinn bei der Lektüre bedarf es keines Germanistikstudiums; und da – mindestens während der großen Turniere – ja jeder mitredet beim Fußball, muss es sich auch nicht nur an ein Fachpublikum richten. Vielleicht interessiert es ja mehr Menschen als man denkt, warum Fußballspiele seit neuestem Duelle sind?

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