Platz 6Fußballbuch 2010

So werden wir Weltmeister

Die Physik des Fußballspiels (2009/2010)
Platz 6  Fußballbuch des Jahres 2010 
Piper
16,95 Euro
Buchcover So werden wir Weltmeister - Die Physik des Fußballspiels von Metin Tolan

Rezension zu: So werden wir Weltmeister

Claus Spahn

Meine Verhältnis zur Physik ist vergleichbar harmonisch wie das von Lothar Matthäus zu seinen Ehefrauen. Trotzdem bin ich wochenlang um dieses Buch herumgeschlichen, dass ein Professor für Experimentelle Physik über den Fußball geschrieben hat. Natürlich sind die darin vorkommenden physikalischen Formeln für eine Physik-Niete wie mich böhmische Dörfer. Aber es sind die großen, ewigen Fragen, die Professor Metin Tolan in seinem Buch über die Physik des Fußballs mit dem schönen Titel "So werden wir Weltmeister" aufwirft. Es ist der Diskussionsstoff, an dem sich die Fußballbegeisterten ein Leben lang abarbeiten: War der Ball im Tor? Wieso gibt es so viel Ärger mit Abseits? Wie funktioniert eine Bananenflanke? Stimmt das Sprichwort: Wer 1:0 führt, der stets verliert? Sogar Sepp Herbergers Weisheiten kommen auf den Prüfstand: Ist der Ball rund?

Da ich es, wie alle Fußballfans, immer genau wissen will und besser wissen will und vor allem: am Ende Recht haben will, bin ich von dem Buch einfach nicht los gekommen. Der Physikprofessor hat nämlich überraschende Erkenntnisse parat. Er weist nach, dass ein Ball nicht flattern kann, auch der WM-Ball Jabulani nicht. Das hängt mit der Prantlschen Grenzschicht und der Magnuskraft zusammen, okay? Er weist nach, dass der Schweizer Schiedsrichter Dienst 1966 gar nicht gesehen haben kann, ob der Ball beim berühmten Wembley-Tor hinter der Linie war, weil die Kontaktzeit des Balles auf dem Boden viel kürzer als die menschliche Wahrnehmungszeit ist. 0,8 bar im Ball, Druck gleich Kraft pro Fläche, Newtonsches Axiom – ist eigentlich ganz einfach zu rechnen. Man erfährt auch das physikalische Geheimnis sehr weiter Schüsse oder warum ein Spieler beim Kopfball in der Luft steht.

Vor physikalischem Fachchinesisch braucht sich niemand zu fürchten. Es ist nur das Abrakadabra, mit dem eine Binsenweisheit auf verblüffende Weise bestätigt oder widerlegt wird. Die Kapitel beginnen immer sehr verständlich und originell, dann wird es für den physikalischen Laien unübersichtlich, dann wieder sehr einfach und klar. Und wem es zu anstrengend wird, der kann sich im komplizierten Mittelteil einfach ein Bier holen und ist am Ende wieder auf Ballhöhe.

Mit Metin Tolans Buch ist man am Stammtisch unschlagbar, denn was der Physikprofessor liefert, sind keine Meinungen – sondern Beweise. Wer zu widersprechen wagt, kriegt ab jetzt eine unhintergehbare physikalische Formel unter die Nase gehalten. Und schon ist Ende der Diskussionen, denn die Wissenschaft irrt nicht. Metin Tolan hat übrigens ausgerechnet, dass Deutschland 2010 Weltmeister wird. Irgendwie muss sich doch ein kleiner Fehler in die Berechnungen eingeschlichen haben.

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