NominiertFußballbuch 2023

Gegen den Wind

Herzblut & Leidenschaft (2022/2023)
Nominiert zum  Fußballbuch des Jahres 2023 
Hinstorff
Verlagsinfo www.hinstorff.de
16,00 Euro
9783356024272

Rezension: Gegen den Wind. Herzblut & Leidenschaft

Christoph Martin Schmidt
von Christoph Martin Schmidt

Ob der Autor Björn Achenbach an Don Quijote dachte, den berühmten Kämpfer gegen die Windmühlen, als er seinem bei Hinstorff erschienenen Buch jenen etwas pathetisch anmutenden Titel "Gegen den Wind – Herzblut & Leidenschaft" gab? Oder doch an die berühmte Hymne, in der wir, dem Morgengrauen entgegen, gegen den Wind ziehen, bis wir Deutscher Meister sind? Wir? Halt!

Beginnen wir mit dem Fußballgott und zitieren Timo Lange: "Der Glaube versetzt Berge". Wieso gestatte ich mir dieses Pathos, das mich beim Lesen dieses Buches ummantelt? Weil es nie in Kitsch abdriftet, wenn mich die Spielberichte, Interviews und Stimmen von Zeitzeugen in eine Vergangenheit beamen, die vor dem inneren Auge wieder lebendig wird? Was berührt mich, wenn die Torwartlegende Dieter Schneider diesen beinahe epochalen Satz über das weite Spielfeld kickt: "In Island musst Du auch erst mal gewinnen." Genau. Geschichte wiederholt sich! Und grinsend denke ich an die bevorstehende Heim-EM. Doch jetzt müssen wir über den Autor, den jahrzehntelangen Hansa-Fan Björn Achenbach reden und für alle, die den Rostocker Fußballgott nicht kennen oder einen anderen anbeten als Timo Lange (in der Fußball-Welt darf man mehrere Götter haben), beglaubigen: Er kennt die Windräder des FC HANSA: Spieler, Vereinslegenden, Mitarbeiter, Damen eines Fanclubs, Trainer, Funktionäre. Alle kommen bei Björn Achenbach zu Wort. Es beschleicht mich beim Lesen nach und nach der Verdacht (den ich nicht mehr loswerde – und auch ein bisschen Neid kommt auf) ob dieser genialen Idee: Hat der Autor dieses Buch nur geschrieben, um einen Vorwand zu haben, seine Legenden zu treffen? Gernot Alms, Rainer Jahrohs, Axel Schulz und die Schweden-Connection und eben – genau – Fußballgott Timo Lange?

An dieser Stelle wird es Zeit, die Karten auf den Tisch zu legen: Ich, der Rezensent, zumal in der Funktion als Juror, sollte einen objektiven Bericht verfassen, um das beste Fußballbuch des Jahres zu nominieren, und das aus einer wirklich langen Liste toller Neuerscheinungen: Doch ich
kann nicht objektiv sein (ich habe es versucht). Weil auch ich Fan bin. Wie Björn Achenbach. Der uns mitnimmt auf seine Reise als Fan, gnadenlos subjektiv, begeistert, mit Leidenschaft. Wir erfahren, wie Du, Björn, (ich duze Dich jetzt mal wie im Stadion) ein paar Bierchen kippst und auf einer Parkbank die Aufstiegsfeier verschläfst. Oder blumige Kapitelüberschriften textest wie "Der Heiler vom Warnowufer" oder "Fallrückzieher ins Glück". Diese ganzen Bilder werden wieder wach, eigene Stadionbesuche, acht Jahre erste Liga! (fun fact, das erste Spiel haben wir 4:0 gegen Nürnberg gewonnen :-D), Pagelsdorf, Lienen, UI-CUP oder der Mann mit dem Wikingerhelm. "Gegen den Wind" ist mein Fußballbuch des Jahres, weil es das Wunder vollbringt, ganz ohne YouTube jene Bilder vor das innere Auge zu zaubern, die wir nie vergessen werden: Wo warst DU, Leserin oder Leser, eigentlich, als Majak das 3:2 in Bochum geköpft hat? Die Überschrift eines Kapitels von Dir heißt "Trübsal vs. Euphorie".

Während ich diese Zeilen schreibe, muss ich daran denken, wie ich selbst das legendäre 4:4 gegen Karlsruhe in Leipzig (nicht im Cantona, sondern in meiner WG, im Cantona war ich später) gesehen habe. Und das ist das Magische, Björn, an Deinem Buch: Während ich Deine Worte lese, diese Gespräche, Interviews und Reflexionen, entstehen in der Erinnerung meine eigenen Geschichten. Lass uns mal auf ein Bierchen treffen, Björn, vielleicht auf der Nord (für die Süd sind wir beide schon zu alt), und anschließend im Lindeneck die Geschichten übereinanderlegen. Eins ist klar: Diese eine, alte Geschichte von Don Quichote ist vielleicht doch noch nicht auserzählt, und wer weiß, vielleicht geht sie im nächsten Spiel anders aus.

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