Platz 5Fußballbuch 2011

Fußball ist unser Lieben

Neue Geschichten der deutschen Autorennationalmannschaft (2010/2011)
Platz 5  Fußballbuch des Jahres 2011 
Albert Ostermaier
© Martin Lengemann SV
Suhrkamp
8,95 Euro
Buchcover Fußball ist unser Lieben - Neue Geschichten der deutschen Autorennationalmannschaft von Albert Ostermaier

Rezension zu: Fußball ist unser Lieben

Birgit Schönau

Die erste Künstlernationalmannschaft Europas wurde von Pier Paolo Pasolini gegründet, es kickten darin Schauspieler, Literaten aber auch Schnulzensänger auf den staubigen Plätzen der römischen Peripherie und auf den grünen Wiesen der Emilia Romagna. Es waren andere Zeiten für den Fußball, für den Film und die Literatur, vor allem waren es andere Zeiten für Italien. Es war schon damals vollkommen normal, dass Literatur, Kunst und Fußball sich gegenseitig suchten, es gab die Spaghettiwestern von Sergio Leone, der glühender Lazio-Rom-Fan war und mit seinem Filmkomponisten Ennio Morricone und dem Produzenten Bino Cicogna zum Derby ging, die beiden letzteren sind bis heute Anhänger der Roma, und wenn sie über die Nachmittage im Olympiastadion erzählen, vermischen sich auf das Schönste Sportmelodram und Lebensfiktion.

In Deutschland dauerte es lange, bis es zu einer Annäherung kam zwischen Fußball und den anderen Künsten. Erst 2005 gründete sich die Nationalmannschaft der Schriftsteller, kurz (und hässlich) Autonama, ihre bekanntesten Spieler sind Thomas Brussig, Albert Ostermaier und Moritz Rinke. Der Fußball mag ihre literarische Produktivität angeregt haben oder umgekehrt, jedenfalls spielt die Dichtermannschaft leidenschaftlichen Fußball und veröffentlicht regelmäßig neue, höchst lesenswerte Ballgeschichten.

Im immer weiter ausufernden Meer einer zunehmend banalen Betroffenheits-Fußballliteratur sind die Produkte der Autonama von gleichbleibender Qualität, besonders schön ist der neue Band „Fußball ist unser Lieben.” Aus aktuellem Anlass gibt es da auch 13 Oden an die Frauenfußball-Nationalmannschaft – so kurz, wie es die Form gebietet. Der Frauenfußball kommt also vor, aber eher am Rande, alles andere wäre vermutlich etwas bemüht gewesen, und zwar nicht etwa deshalb, weil die Autonoma aus lauter Männern besteht. Um als literarisches Subjekt reüssieren zu können, mangelt es dem Frauenfußball schlicht an Geschichte und an Geschichten. Eine Ode ist eben noch keine Legende.

In diesem Zusammenhang liefert immerhin  der Filmemacher und Theaterautor Hakan Savas Mican eine zauberhafte kleine Abhandlung über „Topuk: Das Verschwinden der mysteriösesten Sportart”, in der er mit poetischer Ironie vom Volk der Göktemcetler berichtet, das den Tepük erfand, „eine primitive Version des heutigen Fußballs.” Weil aber das Volk den Tepük allzu ernst nahm, wurde der Ballsport vom König verboten. Eine listige Teppichweberin bringt das auf die Idee, einfach den Ball aus dem Spiel zu nehmen, um den Herrscher auszutricksen. Und siehe da: Die Frauen des Landes spielten den zum Topuk mutierten Tepük ohne Ball derart schwerelos und hinreißend, dass die Männer ihnen nacheifern wollten – und scheiterten, denn sie „konnten mit der Finesse und der Anmut der Topukspielerinnen nicht mithalten.” Als aber der König das Ballspiel wieder erlaubte, setzten sich die Männer durch: „Der Ball war rund und Tepük war Männersache. Es dauerte nicht lange, bis die Frauen jeglichen Spaß verloren, mit den ununterbrochen meckernden Männern zu spielen. Traurig verließen sie die Wiesen.”

Eine Frau spielt auch die Hauptrolle in Moritz Rinkes Satire „Wir werden Bier trinken”, es ist die Kanzlerin Angela Merkel, die zwischen allerlei politischen Gipfeln den Nationalspielern Bastian Schweinsteiger („Basti”) und Mesut Özil Briefe schreibt: „Bei uns heißen die Spieler Özil oder Khedira, ja, da merkt man, dass wir ein temperamentvolles, ein rassiges Land geworden sind.” Rinke ist hier so rasant komisch und charmant bissig wie Jan Böttchers Kurzporträt „Zidane” melancholisch ist. Zidane ist ein Berliner Obdachloser, dessen stachlige Freundin den Spitznamen „Kaktus” trägt. Zidane schafft es nicht, das Rauchen aufzugeben – wie der echte Zinedine Zidane, der stets ein wenig paffte und das noch nicht mal heimlich. „Zidane sagt, manchmal wäre er wirklich gern Franzose, die Deutschen vergessen ihre Scheißhaufen zu schnell, die sie in die Welt setzen.”

Wenn es eine Nationalmannschaft gibt, auf die Deutschland stolz sein kann, dann ist es dieses Autorenteam. Spielerische Leichtigkeit durchzieht ihre Texte, da ist nichts Verkrampftes: Fußball macht eben Spaß, Fußball kann Drama sein oder Operette, nicht nur auf dem Platz. Die Autonama ist eine Mannschaft, da muss nicht bei jedem Einsatz jeder glänzen, aber Highlights gibt es immer und am Ende stimmt das Resultat.

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