Platz 3Fußballbuch 2007

Fußball!

Vorfälle von 1996 bis 2006. Mit einem Grußwort von Günther Koch und dem Hörspiel "Das langsame Erschlaffen der Kräfte" von Ror Wolf und J. Roth (2006/2007)
Platz 3  Fußballbuch des Jahres 2007 
Jürgen Roth
M & V Verlags- und Vertriebsgesellschaft
14,00 Euro
Buchcover Fußball! - Vorfälle von 1996 bis 2006. Mit einem Grußwort von Günther Koch und dem Hörspiel "Das langsame Erschlaffen der Kräfte" von Ror Wolf  und J. Roth von Jürgen Roth

Rezension zu: Fußball! Vorfälle von 1996 bis 2007

Michael Wulzinger

Johannes B. Kerner wird dieses Buch nicht gefallen. Johannes Ballabulli Kerner. Johannes Besinnung Kerner. Johannes Bussi Kerner. Johannes Buddha Kerner. Johannes „Begeisterung im Lande“ Kerner. Der Fernsehschaffende beim ZDF ist erwiesenermaßen der Lieblingsgegner von Jürgen Roth, was man gewiss nicht nur daran erkennt, dass Roth das unaufgelöste B. in Kerners Namen als Allzweckwaffe für seine Attribute benutzt. Johannes Baptist Kerner schreibt er jedenfalls nie.

Auch Stefan Effenberg wird dieses Buch nicht gefallen, genauso wenig wie Waldemar Hartmann, Michael Steinbrecher, Dieter Kürten, Karl-Heinz Rummenigge, Franz Beckenbauer, dem Blattersepp und vielen anderen mehr. Sie alle sind für den Fußballobservateur Roth wahlweise „Verursacher vieler wesentlicher Weltübel“, „eine Art Wadenkrampf im Kopf, kombiniert mit viskosem Auswurf im Ohr“, „Kleinbürger in Klamotten von der Düsseldorfer Kö“, „lackierte Laberer“ oder ganz einfach „Blubberle“.

Für  mich hingegen ist „Fußball! Vorfälle von 1996 bis 2007“, eine Anthologie von Texten, die Jürgen Roth in besagtem Zeitraum in Publikationen wie der „Frankfurter Rundschau“, der „taz“, der „Titanic“ oder, man lese und staune, auch im „Schwarzwälder Boten“ veröffentlicht hat, das Fußballbuch schlechthin im Jahr eins nach der „besten WM aller Zeiten“ (Blatter). Und das, obwohl ich beim SPIEGEL arbeite, den Roth en passant als „Forum der ,Reform’-Fundamentalisten und neoliberalen Hetzer“ abkanzelt; dem Magazin aus Hamburg also, in dem zuweilen auch der von mir sehr verehrte Kollege Dirk Kurbjuweit brilliert, den Roth in einer Passage als „Tiefplauderer“ schmäht.

Geschenkt. Denn das 364 Seiten starke Opus, dem der Autor das mit Ror Wolf produzierte Hörstück „Das langsame Erschlaffen der Kräfte“ anhängt, kann deshalb auf meine uneingeschränkte Unterstützung bauen, weil es auf einer seltenen Eigenschaft gründet: Das Buch hat Haltung. Roths Texte sind geistreiche, inbrünstige, kompromisslose, anarchische, vor Sprachkunst und Wortwitz strotzende Beiträge eines Gedankenjongleurs, der mit jedem abrechnet, den er als Anstifter, Büttel oder Claqueur des „Geldschaufelfußballs“ ausgemacht hat.

Jürgen Roth ist ein genussvoller Mythenzertrümmerer. Ein Luftrauslasser. Ein Entzauberer. Ein Widerstandskämpfer gegen das Banale und ein unverbesserlicher Liebhaber des Spiels, „zu sehr infiziert von diesem immer noch nicht restlos kaputtgetretenen und kaputtvermarkteten seltsamen Faszinosum“. Er setzt dort ein Ausrufezeichen, wo es hingehört: hinter den Fußball. Punkt.

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